Ukraine Aktuell Nr. 631 (16.11.23/23Uhr)

  • Neue Anklagepunkte gegen Putin
  • Schweiz für Russland-Sonder-Tribunal
  • Belarus ist Komplize bei Kinder-Entführungen
  • Russland stellt auf Kriegswirtschaft um
  • Putin Kritiker tot aufgefunden

WEITERE VERBRECHEN PUTINS

Putin könnte mit einer weiteren Anklage wegen Kriegsverbrechen konfrontiert werden, da es Beweise dafür gibt, dass die Aushungerung der Ukraine im Voraus geplant war. Das schreibt der britische «Independent». Gemäss dem Zeitungsbericht arbeitet die internationale Anwaltskanzlei «Global Rights Compliance» (GRC) an dem Fall. Die Kanzlei fand Beweise dafür, dass Russland im Dezember 2021 viele Lastwagen und drei riesige 170-Meter-Getreidefrachter gekauft hat, um Getreide zu stehlen und auf dem Seeweg zu exportieren.

Als russische Panzer am 24. Februar 2022 über die Grenze rollten, zielten sie zunächst bewusst auf getreidereiche Gebiete und die Infrastruktur der Lebensmittelproduktion, so der neue Bericht der internationalen Menschenrechtskanzlei. https://www.independent.co.uk/news/world/europe/putin-grain-theft-ukraine-russia-latest-b2447644.html

In der Folge begann in den ersten Wochen der Besatzung der Getreideexport aus den besetzten Gebieten. Zeitweise wurden bis zu 12’000 Tonnen pro Tag aus den von Russland überfallenen Gebieten gestohlen. Siehe zum Beispiel hier der «Ukraine Aktuell»-Bericht vom Juni 2022 («Organisierter Diebstahl», https://aldrovandi.net/2022/06/11/ukraine-aktuell-11-6-22-1730uhr/ ).

Die Beweise für eine «hochgradig koordinierte Vorplanung» werden dem Internationalen Strafgerichtshof vorgelegt, und GRC hofft, dass sie zu einer ersten internationalen Anklage gegen Putin wegen des Kriegsverbrechens der Aushungerung als Methode der Kriegsführung führen werden.

Catriona Murdoch, Partnerin bei Global Rights Compliance, sagt: «Russland verfolgte nicht nur einen mehrgleisigen Ansatz, indem es die Zivilbevölkerung belagerte und kritische Infrastrukturen zerstörte, sondern plante in einem heimtückischen Plan auch die Beschlagnahme und Plünderung von landwirtschaftlichen Rohstoffen. Moskau hat eine weltweite Nahrungsmittelkrise ausgelöst und den ukrainischen Landwirtschaftssektor als Kriegstaktik angegriffen.»

SCHWEIZ FÜR SONDERTRIBUNAL

Das Aussenministerium der Schweiz welches den Titel «Departement für auswärtige Angelegenheiten – EDA» hat, veröffentlichte heute die folgende Mitteilung:

Die Schweiz engagiert sich für die Schaffung eines Sondertribunals für das Verbrechen der Aggression gegen die Ukraine. Sie kündigte bei einem Treffen heute in Berlin an, dass sie der Kerngruppe der Länder beitritt, die die Schaffung eines solchen Gerichts unterstützen. Die Schweiz ist überzeugt, dass das gegen die Ukraine verübte Aggressionsverbrechen nicht ungestraft bleiben darf.

Die Länder, die ein Sondertribunal für das Verbrechen der Aggression gegen die Ukraine befürworten, sind seit einigen Monaten in einer «Kerngruppe» zusammengeschlossen. Sie arbeiten gemeinsam an Lösungen für die konkrete Ausgestaltung eines solchen Tribunals, u. a. auch in Bezug auf Format, Sitz und Arbeitsmethoden.

In den letzten Monaten hat die Initiative breitere Unterstützung gefunden und wird nun von 38 Staaten, darunter Frankreich, Deutschland, Norwegen, Guatemala, Japan und Kanada, getragen. Die Schweiz ist dieser Kerngruppe anlässlich eines Treffens am 16. November 2023 in Berlin offiziell beigetreten. Sie wurde bei dieser Gelegenheit von Botschafter Franz Perrez, Direktor der Direktion für Völkerrecht (DV) des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA), vertreten.

Nach Einschätzung des EDA hängt der Erfolg eines solchen Sondertribunals von folgenden Faktoren ab: Es sollte in einen multilateralen Rahmen eingebettet sein, breite internationale Unterstützung geniessen und bestehende Mechanismen, insbesondere den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH), ergänzen. Ausserdem sollte es über eine solide rechtliche Grundlage verfügen und internationale Normen und Standards einhalten. Und schliesslich sollte es einen internationalen Charakter haben. Die Schweiz plant aktiv dazu beitragen, dass diesen Faktoren Rechnung getragen wird.

Die Mitwirkung in dieser Kerngruppe ergänzt die Unterstützung der Schweiz für die nationalen und internationalen Anstrengungen, alle in der Ukraine begangenen Völkerrechtsverbrechen zu verfolgen und vor Gericht zu bringen. Diese Bestrebungen sind Teil des langjährigen Engagements der Schweiz für die Bekämpfung der Straflosigkeit.

Der IStGH ist zwar für die Verfolgung und Verurteilung von in der Ukraine begangen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zuständig, jedoch nicht für das Verbrechen der Aggression. Die Zuständigkeit des Gerichtshofs für diese Straftat setzt voraus, dass sowohl der Staat, dessen Staatsangehörigkeit die mutmasslichen Täter besitzen, als auch der Staat, der Opfer der Aggression wurde, das Römer Statut (internationaler Vertrag, der die Grundlage des IStGH bildet) ratifiziert haben. Da weder die Ukraine noch Russland das Römer Statut ratifiziert haben, kann der IStGH zu diesem Verbrechen nicht tätig werden.

Parallel zur Einsetzung eines Sondertribunals, um im vorliegenden Fall Straflosigkeit zu verhindern, wird sich die Schweiz für eine Revision des Römer Statuts einsetzen, um die Möglichkeiten des IStGH zur Verfolgung des  Verbrechens der Aggression zu stärken.

https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-98640.html

BELARUS HILFT BEI KINDER-DEPORTATIONEN

Mehr als 2’400 ukrainische Kinder im Alter von sechs bis 17 Jahren wurden seit dem Beginn der russischen Invasion in der Ukraine nach Weißrussland gebracht. Das ist das Ergebnis einer heute veröffentlichten Studie der Universität Yale. Gemäss Reuters enthält die Studie des «Humanitarian Research Laboratory der Yale School of Public Health» die bisher detailliertesten Angaben über die Rolle Weißrusslands bei der Deportation ukrainischer Kinder. «Die systematischen Bemühungen Russlands, ukrainische Kinder zu identifizieren, abzuschieben und umzuerziehen, werden mit Unterstützung von Belarus durchgeführt. Die föderale Regierung Russlands und das weissrussische Regime «koordinieren und finanzieren gemeinsam den Transfer von Kindern aus den besetzten Gebieten in der Ukraine über Russland nach Weißrussland», heisst es in dem Bericht.

In Weissrussland wurden ukrainische Kinder militärisch ausgebildet und «umerzogen», und der weissrussische Diktator Alexander Lukaschenko «genehmigte den Einsatz staatlicher Organisationen für den Transport von Kindern aus der Ukraine nach Weißrussland und finanzierte ihren Transport», steht in ausserdem in der Studie. Unklar ist, wie viele der Kinder nach Russland weiterverschoben wurden. https://nv.ua/ukr/ukraine/events/deportaciya-ponad-2000-ukrajinskih-ditey-vivezli-u-bilorus-50368949.html

PUTIN KRITIKER TOT

Die Leiche des ehemaligen Kommandeurs der 6. Luftwaffe und Luftverteidigungsarmee der russischen Streitkräfte, Generalleutnant Wladimir Swiridow, wurde in der Region Stawropol entdeckt. Neben dem 68-Jährigen wurde die Leiche seiner 72-jährigen Frau Tatjana gefunden. Hinweise auf Gewalt gibt es keine und auch die Untersuchung der Luft ergab keine Hinweise auf eine Kohlenmonoxid-Vergiftung. Offizielle Stellen haben sich bisher nicht zu Swiridows Tod geäussert. https://de.topwar.ru/230385-na-stavropole-obnaruzheno-telo-jeks-komandujuschego-6-j-armiej-vvs-i-pvo-vs-rf-sviridova.html

Generalleutnant Swiridow wurde im Laufe seiner Karriere mit dem Orden des Roten Sterns ausgezeichnet. In verschiedenen Interviews kritisierte er Putin direkt für die schlechte Ausbildung von russischen Piloten. So sagte er unter anderem: «Wir sind gezwungen, Offiziere zu ernennen, die nicht vollständig ausgebildet sind, weil es keine besseren gibt. Aus demselben Grund schicken wir auch drittklassige Piloten an die Militärakademien. Das hat es in der Vergangenheit nicht gegeben». Er wies auch auf die niedrigen Gehälter und die schlechte Unterbringung der russischen Piloten hin und forderte Putin auf, «normale Lebensbedingungen für junge Offiziere sowie für alle Soldaten zu schaffen, damit sie ihre Dienstpflichten ordnungsgemäss erfüllen können». https://www.ndtv.com/world-news/highly-decorated-russian-general-who-once-criticised-putin-found-dead-4579835

RUSSISCHE KRIEGS-WIRTSCHAFT

Nikolai Patruschew, Sekretär des Sicherheitsrats der Russischen Föderation, hat die russischen Gouverneure angewiesen, sich auf den Übergang zu einer «Mobilisierungswirtschaft» vorzubereiten. Die Leiter der Regionen und die Führung der Bundesbehörden wurden angewiesen, «für die Ausarbeitung von Mobilisierungsplänen für die Wirtschaft zu sorgen» und diese Aufgabe unter «persönlicher Kontrolle» zu übernehmen.

Anton Gerashchenko, Berater des ukrainischen Innenministers qualifizierte die Anweisung so: «Es sieht so aus, als würden die Russen bald rund um die Uhr und kostenlos arbeiten.» https://twitter.com/Gerashchenko_en/status/1725192250857029634

Dass Patruschew eine solche zentrale Anweisung macht und nicht Putin, ist ein Hinweis auf die wachsende Rolle, die der Sekretär des russischen Sicherheitsrates im Kreml spielt. Mehr Infos zu Patruschew hier: https://aldrovandi.net/2023/11/13/ukraine-aktuell-nr-628-13-11-23-22uhr/

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