Ukraine Aktuell Nr. 492 (30.6.23/20Uhr)

DURCHBRUCH BEI BAKHMUT

Der 80. Luftangriffsbrigade der Ukraine ist offenbar gestern ein grosser Durchbruch in der Nähe von Klischtschiwka, südlich von Bakhmut, gelungen. Der prorussische Blogger «Rybar» (1.2 Millionen Abonnenten auf Telegram) hat schon gestern Abend kurz vor Mitternacht von diesen Angriffen berichtet. https://t.me/rybar/49158

Offenbar drangen die ukrainischen Kämpfer in einer komplexen Operation in die dichten Minenfelder ein, während sie gleichzeitig die russischen Schützengräben mit Geschossen aus Drohnen und der Artillerie eindeckten. Der Vorstoss geschah so schnell, dass eine ganze russische Luftlandekompanie eingeschlossen werden konnte. Diese realisierte zu spät, was geschah und ergab sich. Den erfolgreichen Angriff dokumentiert die ukrainische Plattform Euromaidan. https://euromaidanpress.com/2023/06/29/frontline-report-ukraine-captures-stranded-airborne-company-near-bakhmut-uses-increasibly-flexible-tactics/

Die anschliessende, grausame Räumung der russischen Unterstände zeigt ein Vide der Plattform «Wartranslated». https://twitter.com/i/status/1674070461221617665

RUSSEN STOPPEN ANGRIFFE

Christoph Tymowski, ehemaliger Offizier der Schweizer Armee und Mitarbeiter der «Allgemeinen Schweizerischen Militärzeitschrift/Revue militaire Suisse» schreibt aus seinem Büro in Warschau: Die russischen Truppen haben alle ihre Gegenangriffe im Frontabschnitt Kupyansk-Svatove-Kremina gestoppt. Der Grund dafür seien die zu grossen Verluste in den letzten Tagen. Auf der Nordseite von Bakhmut schreitet die ukrainische Armee aus drei Richtungen (Norden, Westen und Südwesten) in Richtung Soledar und Krasna Hora voran. Im Norden und Nordwesten von Bakhmut schreitet die 93. Mechanisierte Brigade voran. https://twitter.com/Christophe_Tymo/status/1674710365299437570

DER KAMPF ZWEIER MAFIAS

Jason Jay Smart, Korrespondent der @Kyiv Post und von Russland auf «ewig» des Landes verwiesen, zeigt in einem Beitrag eine interessante Bruchlinie in Russland auf. Nach seiner Darstellung geht es aktuell um den Kampf zwischen zwei milliardenschweren kriminellen Organisationen in Russland: Der Geheimdienst und die Armee. Putin als ehemaliger KGB-Geheimdienstagent steht zur KGB-Nachfolgeorganisation FSB und zum – in militärischen Fragen unerfahrenen – Verteidigungs-Kriegsminister Sergei Schoigu. Auf der anderen Seite stehen Jewgeni Prigoschin als Söldner-Chef und der als «Schlächter von Syrien» bekannt General Sergej Surowikin. Beide genossen im Militär grossen Rückhalt und Respekt. Interessant sei, dass die Meuterei von Prigoschins Söldnern bei der Armee keine negativen Reaktionen ausgelöst habe. Jetzt aber, wo Prigoschin und Sorowikin kaltgestellt wurden, könne das die Widersprüche zwischen der Geheimdienst-Mafia und der Armee-Mafia verstärken. https://twitter.com/officejjsmart/status/1674600419731861504

PRIGOSCHIN IN ST.PETERSBURG

Der Chef der Wagner-Söldner, Jewgeni Prigoschin, wurde gestern in St.Petersburg gesehen und fotografiert. (FOTO im Newsletter, Abo hier: www.aldrovandi.net).

Der Kriegsbeobachter Igor Sushko schreibt: «Putin hat offenbar zugestimmt, dass er sein gesamtes Hab und Gut bis zum 1. Juli herausholt. Zuvor berichteten wir, dass der FSB 4 Milliarden Rubel in bar (47 Millionen US-Dollar), die er aus seinem Büro beschlagnahmt hatte, an Prigoschin zurückgab.» https://twitter.com/igorsushko/status/1674489547605037056

ZWEI FENSTERSTÜRZE IN MOSKAU

Gemäss zwei nicht bestätigten Berichten fielen gestern und heute zwei junge Menschen aus nicht bekannten Gründen aus Fenstern in Moskau.

Heute betraf es den 31-jährige Sohn des bekannten russischen Schauspielers Michail Efremow. «Er fiel aus dem Fenster seiner Wohnung am Proletarski-Prospekt in Moskau.» Das schreibt die Militärbeobachterin Rebecca Rambar. Der junge Mann wird derzeit Notfalloperiert. https://twitter.com/RebeccaRambar/status/1674758473337192453

Bereits gestern fiel Kristina Baikova, 28 Jahre alt und Vizedirektorin einer russischen Privatbank aus dem 11. Stockwerk eines Hauses in Moskau. https://twitter.com/Damien94475559/status/1674499216196923404

INTERVIEW MIT KIRYL BUDANOV

Generalmayor Kyrylo Budanov ist der Leiter des militärischen Geheimdienstes der Ukraine. (Interview vom Oktober 2022 hier: https://aldrovandi.net/2022/10/25/ukraine-storys-interview-mit-dem-geheimdienst-chef/

Gegenüber «War Zone» gab er gestern Auskunft über die die Meuterei Prigoschins, den Mordauftrag Putins gegen Prigoschin, die Zukunft der Söldner und die Aktionen in Russland. Das komplette Interview ist hier auf Englisch nachzulesen: https://www.thedrive.com/the-war-zone/russia-plotting-to-assassinate-prigozhin-ukraines-spy-boss-tells-us 

THE WAR ZONE (TWZ): Wie war die Stimmung, als Sie zum ersten Mal hörten, dass Prigoschin nach Moskau marschieren würde?

BUDANOV: Die Stimmung war sehr gut, denn alle Aktionen, die zur Destabilisierung innerhalb Russlands führen, sind für die Ukraine von Vorteil. Deshalb war die Stimmung gut.

TWZ: War Ihnen zu irgendeinem Zeitpunkt bewusst, dass Prigoschin eine Meuterei plante? Standen Sie mit ihm in Kontakt? Es gab ja einige Spekulationen darüber.

BUDANOV: Also Gerüchte sind Gerüchte, und ich werde mich dazu nicht äußern. Wenn die Frage lautet, ob wir von den Plänen zur Durchführung solcher Aktionen wussten? Ja, ich kann bestätigen, dass wir wussten, dass es eine Absicht gab, etwas Ähnliches zu tun. Und wir wussten schon seit geraumer Zeit davon.

TWZ: Woher wussten Sie das?

BUDANOV: Von unseren HUMINT-Quellen (Human Intelligence).

TWZ: Wie hat sich Prigoschins Aufstand in Russland auf die laufenden russischen Militäroperationen in der Ukraine ausgewirkt?

BUDANOV: Da all diese Entwicklungen nur einen sehr kurzen Zeitraum andauerten, können wir nicht von ernsthaften Auswirkungen dieser Aktionen sprechen. Aber gleichzeitig wurde den Luft- und Raumfahrtkräften der Russischen Föderation ein gewisser Schaden zugefügt. Der zweite Punkt ist, dass wir nicht erwarten, dass das PMC Wagner in der Ukraine als eigenständige Einheit auftritt, die ihre eigenen Operationen durchführt. Und ich glaube, dass dieser Faktor für uns sehr wichtig ist. Denn wir müssen leider zugeben, dass sich die Private Military Company Wagner als eine ziemlich starke Kampftruppe erwiesen hat. Anders als die regulären russischen Militäreinheiten. Und wir müssen auch zugeben, dass sie im Gegensatz zu den russischen Streitkräften in der Lage sind, richtig zu kämpfen und bereit sind, Opfer zu bringen, um ihre Aufgabe zu erfüllen.

TWZ: Kennen Sie den Status von General Sergej Surowikin, dem Chef der russischen Luft- und Raumfahrtstreitkräfte und ehemaligen Verbündeten Prigoschins? Wurde er verhaftet?

BUDANOV: Derzeit wissen wir nicht genau, was vor sich geht. Ich kann nicht direkt sagen, was mit ihm persönlich geschehen ist.

TWZ: Wissen Sie, ob Surowikin Informationen an Prigoschin geliefert hat, als dieser seine Meuterei plante, wie die New York Times berichtete?

BUDANOV: Auf diese Frage möchte ich nicht antworten.

TWZ: Wie sehr hat dieser Vorfall die Fähigkeit Russlands zur Kriegsführung beeinträchtigt? Und warum?

BUDANOV: Wir kommen eigentlich auf den Punkt zurück, den ich zu Beginn unseres Gesprächs gemacht habe, dass jede Destabilisierung innerhalb der Russischen Föderation für die Ukraine von Vorteil ist. Die wichtigste Konsequenz ist, dass es höchstwahrscheinlich keine PMC Wagner als eigenständige Einheit mehr geben wird. Und in der Tat, sie hätten uns ganz erhebliche Probleme bereiten können.

TWZ: Sehen Sie, dass Prigoschin in Weissrussland Probleme für die Ukraine schafft? Sind Sie darüber besorgt?

BUDANOV: Njet. Nein.

TWZ: Warum?

BUDANOV: Weil eine massive Verlagerung der PMC nach Belarus nicht geplant ist. Und weil das Zentrum, das sie in Weissrussland einrichten wollen, logistischen Zwecken dient. Sie werden auch einige Büroräume und ein Rekrutierungszentrum haben. Und dieses Zentrum wird für Wagner-Operationen in Übersee, hauptsächlich in Afrika, eingerichtet.

TWZ: Die Aktivitäten in Übersee werden also fortgesetzt?

BUDANOV: Ja, die Aktivitäten in Übersee werden fortgesetzt, vor allem in Afrika. Als Nächstes wird der Großteil des Personals, das bisher in der Ukraine kämpfte, schrittweise nach Afrika verlegt, um dort die Operationen aufzubauen.

TWZ: Glauben Sie, dass Prigoschin von Putin ermordet werden wird?

BUDANOV: Wir wissen, dass der FSB (russischer Geheimdienst) den Auftrag erhalten hat, ihn zu ermorden. Werden sie dabei erfolgreich sein? Das werden wir mit der Zeit sehen. Auf jeden Fall werden alle diese potenziellen Attentatsversuche nicht schnell gehen. Es wird einige Zeit dauern, bis sie die richtigen Ansätze haben und das Stadium erreichen, indem sie bereit sind, eine grosse Operation durchzuführen.

TWZ: Glauben Sie immer noch, dass die Russen eine Katastrophe im Kernkraftwerk Saporischschja verursachen werden?

BUDANOV: Russland hat auf der technischen Seite alles für die Inszenierung einer technischen Katastrophe im Kernkraftwerk Saporischschja vorbereitet. Sie haben alles vorbereitet, was notwendig ist, um eine künstliche technologische, von Menschen verursachte Katastrophe zu schaffen. Der Teil des Kraftwerks, den sie am ehesten in die Luft jagen werden, wenn die Entscheidung getroffen wird, ist der künstliche Teich auf dem Gelände des Kraftwerks, der die Kühlung gewährleistet. Was sie also vorhaben, ist, ein Glied im System zu beschädigen, was in der Folge zu dieser technologischen Katastrophensituation führen wird, die niemand aufhalten oder abmildern kann. Denn Such- und Rettungsaktionen in einer Kampfzone sind unmöglich.

TWZ: Werden sie das durchziehen?

BUDANOV: Sie sind absolut bereit dazu.

TWZ: Lassen Sie uns über die Angriffe sogenannter russischer Anti-Putin-Parteigruppen innerhalb Russlands sprechen. Im Mai sagte einer Ihrer Mitarbeiter, dass es eine gewisse Zusammenarbeit mit diesen Gruppen gebe. Arbeiten Sie überhaupt mit diesen Kräften zusammen?

BUDANOV: Da wir ein Spezialdienst sind, sind wir natürlich mit vielen Organisationen auf der ganzen Welt vertraut. Aber der Kampf russischer Freiwilliger gegen das russische Regime auf dem Territorium der Russischen Föderation ist ausschließlich eine innere Angelegenheit Russlands.

TWZ: Helfen Sie ihnen in irgendeiner Weise?

BUDANOV: Wir kennen sie nur, das ist alles.

TWZ: Es gibt also keine Zusammenarbeit?

BUDANOV: Unsere Zusammenarbeit, wenn es eine gibt, geht nicht über ihre Unterstützung für uns bei der Verteidigung der Ukraine auf dem Territorium der Ukraine hinaus. Alles, was sie außerhalb der Ukraine in der Russischen Föderation tun, geht uns nichts an.

TWZ: Bei unserem letzten Gespräch sagten Sie, Russland stehe kurz davor, ballistische Kurzstreckenraketen aus dem Iran sowie weitere Drohnen zu erhalten. Ist das immer noch der Fall?

BUDANOV: Bis heute gibt es keine iranischen ballistischen Raketen in Russland oder in der Ukraine. Was die Drohnen betrifft, so werden sie in großem Umfang eingesetzt.

TWZ: Erwarten Sie, dass Russland weitere Drohnen aus dem Iran erhält?

BUDANOV: Es kommen ständig neue Partien von Drohnen aus dem Iran in die Russische Föderation.

TWZ: Wie viele?

BUDANOV: Normalerweise besteht eine Charge aus 50 bis 70 Drohnen pro Mal. Und das geschieht ziemlich regelmässig, einmal alle zwei Wochen, manchmal alle drei Wochen.

TWZ: Haben die Russen genug Raketen, um den Beschuss der Ukraine fortzusetzen?

BUDANOV: Wie man an den jüngsten Angriffen sieht, haben sie die Anzahl der Raketen, die sie für den Erstschlag einsetzen, jedes Mal reduziert. Die Antwort ist also nein. Sie sind nicht mehr in der Lage, die gleichen Angriffe wie im letzten Herbst durchzuführen.

Wenn Sie uns also entschuldigen, wir müssen gehen.

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