UKRAINE AKTUELL Nr. 777 (10.4.24/21Uhr)

  • Russland mobilisiert weitere 400’000
  • Es fehlen einfache Abwehrwaffen
  • Moskau gewährt Dagmar Henn Asyl
  • Vizedirektor von Lukoil erhängte sich
  • Schweiz stiftet 5.5 Milliarden US-Dollar
  • Es gibt keinen Platz für Neutralität

RUSSLAND MOBILISIERT STÄRKER

Die russische Armee will dieses Jahr zusätzlich 400’000 Soldaten mobilisieren. Das schreibt der britische Geheimdienst. Ziel ist es, die Armee in einem ersten Schritt auf 1.32 Millionen Personen auszubauen und danach auf 1,5 Millionen zu vergrössern.

Teil der normalen Mobilisierung sind die 150’000 Männer im Alter von 18 bis 30 Jahren, die in diesen Tagen eingezogen werden. Dies geschieht jeden Frühling so. Es ist nicht vorgesehen, dass diese Soldaten direkt in der Ukraine eingesetzt werden, aber nach 12 Monaten ist dies möglich. Gewöhnlich wird auf die Mobilisierten Druck ausgeübt, damit sie sich weiter verpflichten. Sobald dies geschehen ist, werden sie im Krieg gegen die Ukraine eingesetzt. https://twitter.com/DefenceHQ/status/1777973217262510507/photo/1

4 TOTE IN ODESSA

Die Russen haben den Bezirk Odessa mit ballistischen «Iskander»-Raketen angegriffen und die Verkehrsinfrastruktur beschädigt. Gemäss dem örtlichen Militärkommando starben vier Menschen, darunter ein 10 Jahre altes Mädchen. Sieben weitere Menschen wurden verletzt. Ein Mann befindet sich in ernstem Zustand, seine unteren Gliedmassen waren beschädigt und wurden amputiert. https://t.me/c/1269013410/65404

ARTILLERIE VERHÄLTNIS 10:1

Christopher Cavoli, ehemals der oberste US-Vertreter bei der NATO in Europa, sagte bei einer Anhörung vor dem amerikanischen Kongress: «In ein paar Wochen wird die Russische Föderation in der Artillerie 10 zu 1 vor der Ukraine liegen.» Und: «Die Seite, die nicht zurückschiessen kann, verliert. Die Ukraine wird bald keine Granaten und Luftverteidigungssysteme mehr haben.» https://www.washingtonpost.com/national-security/2024/04/10/ukraine-cavoli-mike-johnson

ES FEHLEN EINFACHE WAFFEN

Wenn von Luftverteidigung gesprochen wird, ist meistens die Rede von Patriot-Systemen, welche die russischen Angriffe auf Städte abwehren sollen.

Neben diesen Systemen fehlen der Ukraine aber auch viel einfachere Mittel, nämlich Ein-Personen-Flugabwehrwaffen. Eines der bekannten Systeme heisst Stinger (FOTO). Auf das Thema macht Alexander Kovalenko aufmerksam, indem er auf die Situation bei Chasiv Yar (https://aldrovandi.net/2024/04/09/ukraine-aktuell-nr-776-9-4-24-21uhr/) beschreibt:

«Im Gebiet von Chasiv Yar sind nicht nur Frontbomber mit gelenkten Fliegerbomben aktiv, sondern auch, ganz banal, Angriffsflugzeuge frech geworden. Su-25 fliegen regelmäßig so nah wie möglich an die Frontlinie. Angesichts der Funktionsweise der Su-25 sollten solche Einsätze für sie extrem selbstmörderisch sein. Aber das sind sie nicht.

Dies wirft erneut die Frage der Luftverteidigung auf, und zwar nicht nur auf der Ebene der Langstreckenstaffeln, sondern auch der Sättigung der MANPADS-Einheiten sowie der Notwendigkeit mobiler SAMs mit kurzer Reichweite, die bei einer Entfernung von 8-10 km eine tödliche Bedrohung für die Su-25 darstellen. Ausserdem haben uns unsere Partner ausreichende Mengen an tragbaren Flugabwehrsystemen sowie interessante Beispiele für mobile SAMs mit kurzer Reichweite zur Verfügung gestellt, aber…. Aber ein- oder zweimal übergeben und dann vergessen, bedeutet nicht, dass das Problem gelöst ist.» https://twitter.com/zloy_odessit/status/1777961950707613733

KLARE DEUTSCHE WORTE

Roderich Kiesewetter, Mitglied des Deutschen Bundestags und aussenpolitischer Sprecher der CDU,  schreibt zur aktuellen Lage: «Die dramatische Lage in der Ukraine ist die Konsequenz des westlichen Versagens in den letzten 2 Jahren: Das Blockieren, Zögern, Nicht-Liefern, zu wenig & zu spät Liefern sowie der Unwille, die Rüstungsproduktion anzukurbeln, hat Russland gestärkt und Zeit verschafft, die Angriffe auf die ukrainische Bevölkerung massiv zu erhöhen.» https://twitter.com/RKiesewetter/status/1778081156207899003

MOSKAU-ASYL FÜR DEUTSCHE

Russland hat der deutschen Verschwörungstheoretikerin Dagmar Henn heute feierlich den russischen Pass gegeben und ihr damit Asyl gewährt. Henn verbreitet Theorien, die Hitlers Vorgehen rechtfertigen, und betreibt ihren eigenen Blog über Russland, der bei Neonazis beliebt ist. «Die deutsche Staatsbürgerin unterstützt den politischen Kurs der Russischen Föderation, insbesondere hinsichtlich der Durchführung der Sondermilitäroperation in der Ukraine. Sie hat nicht vor, nach Deutschland zurückzukehren, da in diesem Land eine Gefahr für ihre Sicherheit besteht», heisst es in der Erklärung des russischen Innenministeriums.

Dagmar Henn verliess Deutschland im Mai 2022 nach Russland, um für den Propaganda-TV-Sender «Russia Today» zu arbeiten. In ihrem deutschsprachigen Blog schreibt sie über die Gerechtigkeit der russischen Invasion in der Ukraine und erzählt russische Fake-News nach, darunter die Nichtbeteiligung des russischen Militärs am Massaker in Bucha. https://twitter.com/putinism24/status/1778079416792342708

DAS KORRUPTE SYSTEM

Heute Abend wurde bekannt, dass sich der Vizedirektor der russischen Grossfirma LUKOIL, Witali Robertus, in seinem Büro erhängt hat. Kurz zuvor habe er erfahren, dass eine Razzia wegen Bestechung in seinem Büro bevorsteht.

Artur Rehi, ein Militärblogger aus Estland, nimmt diesen Fall zum Anlass für einen Blick auf das korrupte russische System:

Der Kampf hinter den Kulissen gewinnt in Russland immer mehr an Fahrt. Fälle von Bestechung werden ständig eröffnet. Das russische System ist so konzipiert, dass man darin nicht arbeiten kann, ohne das Gesetz zu brechen, das im Prinzip nicht existiert. Das Gesetz existiert erst, wenn das Signal von oben kommt. Wenn ein Signal von den Behörden kommt, dass jemand ist gierig geworden ist und hat mehr gestohlen, als ihm erlaubt wurde, dann kommen die Sicherheitskräfte zu der Person. Sie beschlagnahmen sein Geld und seinen Besitz und nehmen alles mit, und der Mann kommt ins Gefängnis. Die Beschlagnahmung wird unter den Sicherheitskräften aufgeteilt.

Ein anderer Fall ist der Gouverneur der Region Tomsk, Juri Michailowitsch Gurdin. Seine Amtszeit neigt sich dem Ende zu. Gegen ihn wird aktuell ermittelt. Seine Behörde erhielt vom Staat 110 Millonen Rubel. Davon organisierte er die Vergabe und Verschwendung von fast 80 Millionen Rubel für die Entwicklung eines Studentencampus-Projekts unter seinen Bekannten.

Es gibt viele solcher Geschichten. Das Chaos des Kriegs und Probleme in der Wirtschaft treiben die Menschen nur noch stärker zu Diebstahl und zur Inhaftierung von Konkurrenten. https://twitter.com/ArturRehi/status/1778078619958493643

ZELENSKYJ DANKT BERN

Die Schweiz hat angekündigt, dass sie in den nächsten 12 Jahren rund 5,5 Milliarden Dollar für den Wiederaufbau und die Unterstützung der Ukraine bereitstellen wird. In einem ersten Schritt werden bis 2028 rund 1,5 Milliarden aus dem Budget für internationale Zusammenarbeit bereitgestellt.

Auf seinem X-Account schreibt der ukrainische Präsident Zelenskyj: «Ich habe mit Viola Amherd (Schweizer Verteidigungsministerin) gesprochen und der Schweiz für ihre konsequente Unterstützung gedankt, unter anderem für die heutige Entscheidung, 5 Milliarden Schweizer Franken für den Wiederaufbau der Ukraine bereitzustellen.

Wir sprachen über die Vorbereitungen für den ersten Weltfriedensgipfel in der Schweiz, der für Juni dieses Jahres geplant ist. Der Gipfel wird auf unserer bisherigen Arbeit zur Umsetzung der Friedensformel bei vier Treffen nationaler Sicherheitsberater in Kopenhagen, Jeddah, Malta und Davos aufbauen.

Wir arbeiten weiterhin eng zusammen, um ein möglichst breites Spektrum von Ländern zur Teilnahme an dem Gipfel zu ermutigen, um eine gemeinsame und praktische Vision für einen gerechten, dauerhaften und umfassenden Frieden für die Ukraine zu entwickeln.» https://twitter.com/ZelenskyyUa/status/1778077137456464176

KEIN PLATZ FÜR NEUTRALITÄT

Roman Sheremeta, Ukrainer und Wirtschaftsprofessor an Case Western Reserve University in Cleveland schreibt gewöhnlich faktenbasiert, was in der Ukraine geschieht. Heute hat er einen persönlichen Text verfasst:

«Es gibt keine Neutralität im Angesicht des Bösen. Der russische Krieg und der Völkermord an den Ukrainern haben mich verändert. Die Russen haben drei meiner Freunde getötet; sie haben Tausende meiner Landsleute enthauptet, kastriert, vergewaltigt, gefoltert; sie haben die Lebensgrundlage von Millionen zerstört.

Früher war ich viel toleranter und akzeptierte andere Standpunkte. Aber jetzt ist meine Sichtweise eher schwarz-weiss. Der Krieg ist persönlich geworden. Der Schmerz ist persönlich geworden.

Ich glaube, jeder von uns hat jemanden verloren, entweder auf dem Schlachtfeld oder als die russischen Raketen und Drohnen die zivile Infrastruktur bombardiert haben.

Fast jeden Tag und jede Nacht hören Sie Explosionen am Himmel. Sie beginnen Ihren Tag, indem Sie Berichte über das nächste Dutzend Menschen lesen, die ins Krankenhaus eingeliefert wurden oder gestorben sind, weil Drohnen oder Raketen in ein weiteres Gebäude eingeschlagen sind. Und das könnte das Gebäude sein, in dem Ihre Angehörigen oder Freunde leben.

Wenn ich also eine Person treffe, die behauptet, neutral gegenüber dem russischen Krieg und dem Völkermord am ukrainischen Volk zu sein, mache ich sie für die von den Russen begangenen Gräueltaten verantwortlich.

Wenn Sie sich entscheiden, neutral zu bleiben und zu schweigen, ist das Ihre Entscheidung. Aber diese Entscheidung definiert, wer Sie sind. Sie sind ein Feigling, ein stiller Unterstützer, ein «guter Russe», und die Geschichte wird Sie als solchen beurteilen.

Zum Schluss möchte ich einige Menschen zitieren, die sehr gut verstanden haben, dass es angesichts des Bösen keine Neutralität gibt.

Dietrich Bonhoeffer: «Das Schweigen im Angesicht des Bösen ist selbst böse; Gott wird uns nicht schuldlos machen. Nicht reden heisst reden. Nicht zu handeln, heisst zu handeln.»

Elie Wiesel: «Wir müssen immer Partei ergreifen. Neutralität hilft dem Unterdrücker, niemals dem Opfer. Schweigen ermutigt den Peiniger, niemals den Gepeinigten.»

Dante Alighieri (paraphrasiert): «Die heissesten Plätze in der Hölle sind für diejenigen reserviert, die in Zeiten einer grossen moralischen Krise ihre Neutralität bewahren.» https://twitter.com/rshereme/status/1777766795283161094

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