Valeri Zaluzhnyi, Oberbefehlshaber der Streitkräfte der Ukraine, hat für die Zeitschrift «The Economist» einen Artikel mit dem Titel «Moderne Stellungskriege und wie man sie gewinnt» geschrieben. Der Autor gab die Rechte zur Publikation frei und untenstehend folgt der Originalartikel, Voraus bemerken möchte ich: Das ist ein langer Lesestoff, rund viermal länger als ein gewöhnlicher Newsletter. Ausserdem ist der Text gespickt mit militärischen Begriffen, insbesondere was die diversen Waffensysteme angeht.
Ich habe mich dennoch entschlossen, den Text zu veröffentlichen, weil er nach meiner Meinung Verschiedenes aufzeigt:
- Die ukrainische Armee ist sich ihrer Stärken, aber auch ihrer Schwächen bewusst und vernebelt diese Erkenntnisse nicht.
- Keine wirkliche Stärke der russischen Armee ist ihre grosse Menschenmenge, die sie mobilisieren kann, denn hier gibt es zu viele organisatorischen, politische und motivationsbedingte Defizite.
- Die russische Armee ist trotzdem stärker als allgemein angenommen wird.
- Eine Stärke der russischen Armee ist ihre seit Jahren forcierte Aufrüstung im Bereich elektronische Kriegsführung und die von ihr seit Jahren angehäuften grossen Mengen von alten und neuen Waffen und Munition.
- Der Text von Zaluzhnyi zeigt auf, in welchen Bereichen und mit welchen Mitteln der Kriegsverlauf gewendet werden kann.
- Und schliesslich: Durch die Veröffentlichung des Originaltextes will ich den starken Verkürzungen und Schlagzeilen in traditionellen Medien entgegenwirken, die ein gänzlich falsches Bild der Ansichten von Zaluzhnyi produziert haben.
Um die Lesbarkeit zu erhöhen habe ich den Text teilweise gekürzt und redaktionell bearbeitet sowie mit Fachbegriffserklärungen ergänzt.
ORIGNALTEXT VON VALERI ZALUZHNYI
Mit der Einleitung einer gross angelegten bewaffneten Aggression gegen die Ukraine am 24. Februar 2022 hat die Russische Föderation den Beginn einer noch nie dagewesenen globalen Sicherheitskrise provoziert, der grössten seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Russlands Grossmachtchauvinismus, der durch seine kranken imperialen Ambitionen noch verstärkt wird, verwandelt den militärischen Konflikt, den es in Mitteleuropa begonnen hat, allmählich in eine bewaffnete Konfrontation zwischen demokratischen und autoritären politischen Regimen mit der Aussicht auf seine Ausbreitung auf andere Regionen des Planeten, die auf ähnlichen geopolitischen Modellen beruhen (Israel und der Gazastreifen, Süd- und Nordkorea, Taiwan und China usw.)
Die Unwirksamkeit bestehender weltpolitischer Regelungsmechanismen, vor allem der UNO und der OSZE, lässt der Ukraine keine andere Wahl, als ihre territoriale Integrität nach der gross angelegten bewaffneten Aggression innerhalb der international anerkannten Grenzen von 1991 mit militärischer Gewalt wiederherzustellen. Dabei spielen die ukrainischen Streitkräfte eine entscheidende Rolle.
Nachdem die Ukraine mit einem mächtigeren Feind mit vielen Waffen und einem viel grösseren Mobilisierungspotenzial in den Krieg eingetreten war, gelang es ihr nicht nur, ihn zu stoppen, sondern 2022 auch eine erfolgreiche Gegenoffensive zu starten und den Feind an vielen Fronten zurückzudrängen.
Das ukrainische Volk hat seine Bereitschaft, sich mit Leib und Seele für seine Freiheit zu opfern, nicht nur mit Worten, sondern auch mit Taten unter Beweis gestellt.
Aus vielen subjektiven und objektiven Gründen geht der Krieg aktuell jedoch allmählich in einen Stellungskrieg über, dessen Ausgang für die Streitkräfte der Ukraine (AFU) als auch für den Staat als Ganzes ungewiss ist.
In vielen Fällen ist die Verlängerung eines Krieges in der Regel für eine der Konfliktparteien von Vorteil. In unserem Fall ist dies die Russische Föderation. Denn sie erhält dadurch die Möglichkeit, ihre militärische Macht wiederherzustellen und auszubauen.
Daher ist die Erforschung der Ursachen dieser Situation und der Suche nach möglichen Auswegen zugunsten der Ukraine heute von besonderer Bedeutung.
Die Analyse der Situation zeigt: Um aus dem Stellungskrieg wegzukommen, braucht es die Luftüberlegenheit, muss das breite System der Minenfelder überwunden, die Wirksamkeit der Artillerieabwehr erhöht, die notwendigen Reserven an Personal und Material geschaffen und die Fähigkeiten zur elektronischen Kriegsführung ausgebaut werden.
Zu betonen ist, dass die bisher geleistete Hilfe der Partner, die gelieferten Raketen und Munition, Artilleriesystemen, Luftabwehrsysteme, Ausrüstung für die elektronische Kriegsführung und andere von den Partnern bereitgestellten Waffen und militärischen Ausrüstungen in keiner Weise geschmälert werden sollen. Sie ergänzen die Fähigkeiten der Verteidigungskräfte an der Front, welche durch neue technologische Lösungen und innovative Ansätze gestärkt werden sollen.
Für den Übergang des dynamischen Krieges in einen Stellungkrieg gibt es verschiedene Gründe. Diese werden im Folgenden analysiert.
ENTSCHEIDENDE LUFTÜBERLEGENHEIT
Die moderne militärische Kunst besteht darin, die Luftüberlegenheit zu erlangen, um gross angelegte Bodenoperationen erfolgreich durchführen zu können. Dies spiegelt sich in den Doktrinen der Streitkräfte der NATO-Mitgliedstaaten und in den Leitdokumenten der Streitkräfte der Russischen Föderation wider.
Die ukrainischen Streitkräfte traten in den Krieg mit 120 taktischen Flugzeugen ein, von denen nur 40 als technisch einsatzfähig eingestuft wurden. Ausserdem verfügten sie über 33 Flugabwehrraketenbataillonen mittlerer und kurzer Reichweite, von denen nur 18 über eine voll einsatzfähige Ausrüstung verfügten.
Dank der materiellen und technischen Hilfe der Partnerländer konnte die Ukraine ihr Luftverkehrs- und Luftverteidigungssystem ausbauen. Sie erhielt vor allem Kampf- und Angriffsflugzeuge sowie Hubschrauber sowjetischer Bauart.
Die Anzahl der Flugabwehrraketensysteme wurde deutlich erhöht, hauptsächlich mit Ausrüstung westlicher Herkunft, insbesondere mit den tragbaren Flugabwehrraketensystemen Martlet, Starstreak, Javelin und Piorun. Hinzu kamen Mistral, Stinger, Grom, Gepard, selbstfahrende Flugabwehrsysteme, Skyneh-Flugabwehrartilleriesysteme, Avenger, Stormer, Patriot, Hawk, IRIS-T, NASAMS, SAMP-T, Crotale-NG Flugabwehrraketensysteme.
Infolgedessen hat die Russische Föderation seit Beginn der gross angelegten bewaffneten Aggression eine Anzahl von Flugzeugen und Hubschraubern verloren, die ungefähr der Anzahl von Luftfahrzeugen einer mittleren Armee entspricht.
Darüber hinaus haben die Verluste an gegnerischen Luftabwehrsystemen verschiedener Typen bereits 550 Einheiten überschritten.
Trotz dieser Verluste verfügt der Feind weiterhin über eine beträchtliche Luftüberlegenheit, die das Vorrücken unserer Truppen erschwert und einer der Schlüsselfaktoren ist, der den Charakter der Feindseligkeiten in eine stillstehende Front umwandelt.
Verschiedenen Schätzungen zufolge könnte der Feind bis Ende 2023 eine neue Gruppe von Kampfflugzeugen aufstellen, die aus mindestens einer Staffel von Jagdbombern Su-24 und Su-34 sowie einer Staffel von Kampfhubschraubern besteht, weshalb diesem Umstand besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden sollte.
Trotz der bedeutenden quantitativen und qualitativen Überlegenheit des Gegners in der Luftfahrt und der Luftverteidigung kann er diese dank der erfolgreichen Arbeit unserer Luftunterstützungseinheiten, die die Zahl der zerstörten Luftangriffsmittel ständig erhöhen, nicht in eine vollständige Luftüberlegenheit umwandeln.
Dies führt dazu, dass sich der Feind am ukrainischen Himmel unwohl fühlt und seine Flugzeuge versuchen, den Aktionsradius unserer Flugabwehrsysteme zu meiden und Luftangriffe hauptsächlich aus grosser Entfernung durchzuführen, was deren Wirksamkeit erheblich verringert.
Stattdessen treten die unbemannten Luftfahrzeuge des Gegners – die Drohnen – in den Vordergrund und übernehmen einen erheblichen Teil der Aufgaben der bemannten Flugzeuge bei der Luftaufklärung und bei Luftangriffen.
ÜBERWINDUNG DER MINENFELDER
Die nächste Voraussetzung, die den Charakter der gegenwärtigen Feindseligkeiten in eine positionelle Form umwandelt, ist der weit verbreitete Einsatz von Minenfeldern sowohl durch den Gegner als auch durch unsere Truppen. Betrachten wir die Fähigkeit unserer Truppen, solche Hindernisse zu überwinden.
Am 24. Februar 2022 verfügten die ukrainischen Streitkräfte nur über eine begrenzte Anzahl von Kräften, die in der Lage waren, Lücken in Minenfelder zu schlagen. Sie waren mit technisch überholten Ausrüstungsmodellen bewaffnet.
Dank westlicher Partner gelang es im Rahmen der Militäroperationen, die Fähigkeiten der technischen Einheiten zur Herstellung von Durchgängen mit Hilfe von Ausrüstungen wie M58 MICLIC, Wicent 1, NM189 Ing-Panzern etwas zu erhöhen. Aber angesichts des beispiellosen Ausmasses dieser Hindernisse sind selbst diese Fähigkeiten objektiv unzureichend.
Heute sind die feindlichen Minenfelder in besonders wichtigen Gebieten dicht und erreichen eine Tiefe von 15-20 km. Sie werden von Aufklärungsdrohnen abgedeckt, die unsere Minenfeldeinheiten wirksam aufspüren und unter Beschuss nehmen.
Gelingt es unseren Truppen, in die Minenfelder vorzudringen, so stellt der Feind die Minenfelder in diesen Gebieten mit Hilfe von ferngesteuerten Minentechniksystemen wie «Zemledelie» schnell wieder her.
Gleichzeitig sind die ukrainischen Streitkräfte in der Lage, Minenfelder und Aufklärungs- und Feuersysteme zu nutzen, um gegnerische technische Minenräumgeräte aufzuspüren und zu zerstören.
Dies führt dazu, dass die Offensivaktionen beider Seiten mit erheblichen Schwierigkeiten und schweren Verlusten an Personal, Waffen und militärischem Gerät verbunden sind.
KRIEG DER ARTILLERIEN
Im russisch-ukrainischen Krieg, wie auch in den Kriegen der Vergangenheit, spielt die Luftwaffe und die Artillerie für die Feuerkraft nach wie vor eine bedeutende Rolle und macht je nach Bedingungen, Einsatzrichtungen und -gebieten zwischen 60 und 80 % des Gesamtumfangs der durchgeführten Aufgaben aus.
Der Erfolg der Truppenaktionen hängt unmittelbar von der Wirksamkeit der Schläge und der Feuerkraft ab, so dass die «Jagd» auf die gegnerische Feuerkraft für beide Seiten eine Priorität darstellt.
Die Neutralisierung der Artillerie wird zu einem wichtigen Bestandteil der bewaffneten Konfrontation. Und trotz der Äusserungen einiger so genannter «Militäranalysten» und verschiedener Veröffentlichungen, auch in den russischen Medien, über die allmähliche Schwächung Russlands, haben wir kein Recht, die Bedeutung und die Fähigkeiten der russischen Waffen, ihrer Aufklärung und Gegenmassnahmen sowie die Fähigkeit des militärisch-industriellen Komplexes die Truppen mit einer beträchtlichen Anzahl sowohl veralteter als auch modernster Waffen und militärischer Ausrüstung zu versorgen, zu unterschätzen.
Wir müssen die Bedrohungen realistisch einschätzen, die Erfahrungen analysieren und Schlussfolgerungen ziehen.
Unmittelbar nach dem Erhalt westlicher Raketen- und Artilleriewaffen verschafften sich die ukrainischen Streitkräfte einen erheblichen Vorteil und erzielten bedeutende Erfolge in den Kampfgebieten.
So erwies sich beispielsweise die ATGM (Panzerabwehrwaffen) vom Typ «Excalibur» (155-mm-Geschoss) im Kampf gegen die Panzerartillerie und das Feuerleit-Radar als recht effektiv. Im Laufe der Zeit haben ihre Wirksamkeit jedoch erheblich nachgelassen, da das Zielsystem (unter Verwendung von GPS) sehr empfindlich auf die Auswirkungen der gegnerischen elektronischen Kriegsführung reagiert, was zum Verlust von hochpräziser Munition führt. (Zu den Fähigkeiten der russischen elektronischen Kriegsführung mehr später im Artikel).
Der Feind hat schnell gelernt, neue Taktiken anzuwenden: Weiträumige Verteilung der Geschütze, Feuer aus maximaler Reichweite, Einsatz neuer elektronischer Kriegsführungsgeräte (das elektronische Kriegsführungssystem Pole 21) usw.
Der Feind hat auch begonnen, Sperrmunition wie Lancet mit Zielbeleuchtung für Drohnen vom Typ «Orlan», «Zala» und andere UAVs (Unbemannte Flugkörper) einzusetzen, die nur schwer zu bekämpfen sind.
Um den Vorteil im Zweikampf zu erhalten und auszubauen, haben die Russen unter Verwendung veralteter Artilleriesysteme die Dichte der Artillerie und ihre Fähigkeit, konventionelle Munition in grossem Umfang einzusetzen, erheblich gesteigert.
Der Feind hat auch die Produktion und die Intensität des Einsatzes von 122-mm-Krasnopol-Präzisionsmunition erhöht, die mit Hilfe von Entfernungsmessern von Kommando- und Beobachtungsposten am Boden aus auf Ziele gelenkt wird.
Um dem Feind zu begegnen, waren wir gezwungen, seine Artillerie mit HIMARS-Raketenartilleriesystemen zu zerstören. Die Zerstörung dieser Ziele (Artillerie, MLRS – Mehrfachraketenwerfer usw.) verbrauchte jedoch einen erheblichen Teil des verfügbaren Raketenmaterials.
Gegenwärtig sind wir in der Lage, mit einer geringeren Anzahl besserer, weil präziserer Waffen eine bedingte Parität mit der gegnerischen Artillerie zu erreichen, obwohl diese zahlenmässig überlegen ist.
SCHAFFUNG VON NOTWENDIGEN RESERVEN
Im Vergleich zur Ukraine verfügt die Russische Föderation über fast die dreifache Menge an mobilisierbaren Humanressourcen. Nachdem es dem Gegner in der Anfangsphase des Krieges nicht gelungen war, seine Streitkräfte in Friedenszeiten zu mobilisieren, hat er im September 2022 eine Teilmobilisierung eingeleitet, die bis heute anhält.
Es ist ihm jedoch nicht gelungen, den Vorteil bei der Mobilisierung der Humanressourcen zu nutzen, um einen signifikanten Vorteil bei der Anzahl der Kämpfer gegenüber der für die Ukraine kämpfenden Truppen zu erzielen.
Die Hauptgründe für diese Situation sind politischer und organisatorischer Natur und haben auch mit Motivation zu tun.
Insbesondere am Vorabend der Präsidentschaftswahlen scheut sich Präsident Putin, eine allgemeine Mobilisierung durchzuführen, da die Gefahr besteht, dass die sozialen Spannungen im Land zunehmen und zu einer politischen Krise eskalieren.
Der Feind verfügt nur über begrenzte Kapazitäten, um die mobilisierten Bürger auszubilden und sie mit den erforderlichen Waffen und militärischer Ausrüstung zu versorgen.
Aufgrund der erheblichen Verluste an Personal versucht die Zivilbevölkerung der Russischen Föderation, sich der Einberufung und der Teilnahme an Feindseligkeiten zu entziehen.
Gleichzeitig ist zu bedenken, dass trotz der Tatsache, dass das Kommando der Streitkräfte der Ukraine ständig an der Verbesserung des Verfahrens zur Bildung und Ausbildung von Reserven arbeitet, einige Themen weiterhin problematisch sind. Insbesondere haben wir nur begrenzte Möglichkeiten, Reservisten auf unserem eigenen Territorium auszubilden, da der Feind in der Lage ist, Raketen- und Luftangriffe auf Ausbildungszentren und Übungsgelände zu fliegen.
Die Langwierigkeit des Krieges, die begrenzten Möglichkeiten der Rotation des Militärpersonals an der Front und die Gesetzeslücken, die eine scheinbar legale Umgehung der Mobilisierung ermöglichen, verringern die Motivation der Bürger, Militärdienst zu leisten, erheblich.
Wir sind uns dieser Probleme bewusst, wir sehen Wege, sie zu lösen, und wir arbeiten ständig daran. Daraus ergibt sich, dass die Ukraine nicht in der Lage ist, eine Überlegenheit gegenüber dem Feind in den Reserven zu erreichen, wie sie deren Zahl nicht im notwendigen Ausmass erhöhen kann.
DIE ELEKTRONISCHE KRIEGSFÜHRUNG
Schon vor den Ereignissen von 2014 hat die militärische und politische Führung der Russischen Föderation der Entwicklung der elektronischen Kriegsführung grosse Aufmerksamkeit geschenkt.
Ein anschauliches Beispiel dafür ist die Schaffung einer eigenen Truppengattung in den Streitkräften der Russischen Föderation im Jahr 2009 – der Truppen für elektronische Kriegsführung. Der Gegner hat etwa 60 Typen moderner elektronischer Kriegsführungsgeräte und -mittel übernommen, die sich durch bessere technische Eigenschaften, hohe Mobilität, erhöhte Sicherheit, kurze Einsatz- und Rückzugszeiten, die Einführung neuer technischer Lösungen, Automatisierung, spezielle Software usw. auszeichnen. Nahezu die gesamte Flotte veralteter Ausrüstung wurde aktualisiert.
Zu den Hauptvorteilen der russischen Ausrüstung für die elektronische Kampfführung gehört auch die Einführung der Massenproduktion der so genannten «elektronischen Grabenkampfführung» (Silok, Python, Harpoon, Pyroed, Strizh, Lisochok), die von den taktischen Elementen der Truppen der Russischen Föderation eingesetzt werden.
Obwohl der Feind seit Februar 2022 einen grossen Teil dieser Ausrüstung verloren hat, behält er weiterhin einen bedeutenden Vorteil in der elektronischen Kriegsführung.
In den Richtungen Kupjansk und Bakhmut hat der Feind tatsächlich ein gestaffeltes System der elektronischen Kriegsführung geschaffen, dessen Elemente ständig ihren Standort wechseln.
Die ukrainischen Streitkräfte hatten bis 2022 moderne Drohnensysteme für die elektronische Kriegsführung wie Bukovel-AD, Enclave, Khmara und Nota eingeführt, die sich in der Folge im Kampf bewährt haben. Trotzdem stammten zu Beginn des Krieges etwa 65 % der Störsender in den Einheiten der elektronischen Kampfführung der ukrainischen Streitkräfte aus der ehemaligen Sowjetunion, während nur 25 Einheiten neu waren.
Angesichts der begrenzten Kapazitäten der nationalen Verteidigungsindustrie wurden die Fähigkeiten der elektronischen Kriegsführung durch internationale militärische Logistikhilfe verbessert. Dank dieser Hilfe konnten Systeme und Mittel zur Erkennung und elektronischen Bekämpfung von Drohnen, Drohnenabwehrkanonen, taktische mobile Peilsysteme, elektronische Kriegsführungssysteme mit Radarstationen an Bord usw. beschafft werden.
Derzeit werden die Fähigkeiten zur Bekämpfung von gegnerischen Präzisionswaffen durch den Einsatz des nationalen elektronischen Kriegsführungssystems «Pokrova» aufgebaut. Dieses wird in der Lage sein, das Satellitenfunk-Navigationsfeld zu fälschen und die Satellitenfunknavigation entlang der gesamten Kontaktlinie und im grössten Teil der Ukraine zu unterdrücken.
Die Entwicklung und Implementierung von Elementen der Situationserkennungssysteme ist ebenfalls im Gange: «Graphite» für die automatische Übertragung und Anzeige von Informationen über den Flug kleiner Drohnen und «Quartz» für die Sammlung, Verarbeitung und Anzeige von Daten sowie die Steuerung von Geräten zur elektronischen Kriegsführung.
Gegenwärtig sind wir bei der Durchführung von Aufgaben der elektronischen Kriegsführung fast gleichauf. Das erschwert für beide Seiten die Erzielung eines Vorteils beim Einsatz von Waffen und militärischer Ausrüstung und Truppen im Allgemeinen.
Trotz der strategischen Überlegenheit in Bezug auf das militärische, wirtschaftliche, menschliche, natürliche Ressourcen- und wissenschaftliche Potenzial sind die Besatzungsstreitkräfte noch nicht in der Lage, die Pläne des russischen Generalstabs vollständig umzusetzen.
Gleichzeitig ist festzustellen, dass es für die Ukraine und ihre Streitkräfte kostspielig ist, der Verwirklichung der militärischen und politischen Ziele des Aggressorstaates entgegenzuwirken. Dies wird jetzt, während der Gegenoffensive im Sommer und Herbst, besonders deutlich.
Vor allem die Streitkräfte der Ukraine und angegliederte Dienste, stehen de facto fast entlang der gesamten Kontaktlinie vor der Notwendigkeit, das Problem der militärischen Parität zu lösen.
Das Problem der militärischen Parität ist in erster Linie auf Gründe zurückzuführen, die mit der Parität in der Luft, Minenfeldern, Gegenbatterien und elektronischer Kriegsführung sowie der Bildung von Reserven zusammenhängen.
DIE GEFAHR EINES STELLUNGSKRIEGES ÜBERWINDEN
Damit der Übergang zu einem Stellungskrieg wie dem «Grabenkrieg» von 1914-1918 vermieden werden kann, braucht es eine Suche nach neuen und nicht trivialen Ansätzen zur Überwindung der militärischen Parität mit dem Feind.
Die wichtigsten Wege zur Überwindung des positionellen Charakters der Feindseligkeiten, der sich im Sommer 2023 an der Front zu manifestieren begann, sind folgende.
DIE LUFTÜBERLEGENHEIT ERRINGEN
- Gleichzeitiger massiver Einsatz von billigen unbemannten Flugzielsimulatoren und Angriffsdrohnen in einem einheitlichen Kampfauftrag. Dies führt zu einer Überlastung des gegnerischen Luftabwehrsystem; zudem soll damit der Feind über die Anzahl der tatsächlichen Ziele im Angriff irregeführt und dessen Luftabwehrsystems entlarvt werden;
- Die Jagd auf gegnerische Drohnen durch Jägerdrohnen mit Fangnetzen an Bord. So soll die die Gefahr der Zerstörung von Waffen, militärischer Ausrüstung und Personal auf dem Schlachtfeld durch Kamikaze-Drohnen beseitigt werden;
- Einsatz von Strahlungssimulatoren an der Front. Dies soll die Wirksamkeit von Lenkraketen verringern;
- Blendung der Wärmebild-Aufklärungs- und -Lenkungsgeräte von Drohnen mit Stroboskoplicht bei Nacht, um Angriffe auf Truppenstellungen in der Nacht durch Drohnen mit Wärmeleit-Kameras zu verunmöglichen;
- Massiver Einsatz von Ausrüstung zur elektronischen Kriegsführung (kleine und tragbare Störgeräte, Drohnenabwehrkanonen usw.) an der Kontaktlinie zur Bekämpfung feindlicher Drohnen, um den Schutz der Bodentruppen vor feindlichen Drohnen zu erhöhen.
ANTI ARTILLERIE KAMPF
- Verbesserung der Funktionsweise von Navigationssystemen für präzisionsgelenkte Munition;
- Verbesserung der Aufklärung über die gegnerische Artillerie mit Hilfe der internationalen Partner.
MINENFELDER ÜBERWINDEN
- Verbesserung der Informationslage über vorhandene Minenfelder;
- Einsatz von Düsentriebwerken aus ausgemusterten Flugzeugen, Wasserkanonen (Wasserwerfer) Streumunition für die Herstellung von Durchgängen in Minenfeldern;
- Untertunneln von Minenfeldern mit Minitunneln;
- Einsatz von Sprengstoff und Raketen zum Schaffen von Durchgängen in Minenfeldern
- Drohnenabwehrkanonen, damit feindliche Drohnen die Minen-Entfernungsgruppen nicht beobachten können.
RESERVEN UND MOBILISIERUNG
- Einführung des einheitlichen staatlichen Registers der Wehrpflichtigen;
- Einbeziehung von mehr ukrainischen Bürgern in die militärische Reserve;
- Erweiterung der Liste der Kategorien von ukrainischen Bürgern, die für den Militärdienst und den nationalen Widerstand ausgebildet werden
- Schaffung eines automatisierten Systems zur Dokumentation von Aktivitäten ukrainischer Bürger im Militärdienst und im nationalen Widerstand;
- Einführung der Praxis der Gefechtsausbildung.
ELEKTRONISCHE KAMPFFÜHRUNG
- Breite Einführung der neuen Lageerkennungssysteme Pokrova, Graphit und Quartz in die militärisch-operativen Prozesse;
- Nutzung der Kenntnisse der Partnerländer aus deren Aufklärungsmitteln der Luft-, See- und Raumfahrt;
- Einbezug von Drohnen bei Angriffsoperationen von Verbänden mit kombinierten Waffen;
- Gegenmaßnahmen zur Entdeckung, Erkennung, Lokalisierung und Ausschaltung feindlicher elektronischer Strahlungsquellen;
- Steigerung der Produktion von Systemen für die elektronische Kriegsführung in der Ukraine und im Ausland;
TRUPPENFÜHRUNG UND LAGEBEURTEILUNG
Um aus der Stellungskriegsführung herauszukommen mit die Wirksamkeit der Truppenführung erhöht werden.
Dies kann durch den umfassenden Einsatz moderner Informationstechnologien im Führungs- und Leitsystem erreicht werden:
- Bildung eines einheitlichen Informationsumfelds;
- Schaffung von Bedingungen für die Informationsüberlegenheit;
- Wirksame Koordinierung der unterstellten Truppen.
Auf diese Weise wird es möglich sein, dem Feind in Bezug auf die Lageerkennung voraus zu sein, schneller Entscheidungen zu treffen und generell das Ziel einer Operation in einem Stellungskrieg zu erreichen.
Die Schlüsselkomponenten, die die Erlangung der Überlegenheit im Lagebewusstsein beeinflussen, sind die Prozesse der Organisation von Kommunikation, Nachrichtendienst, Überwachung und Aufklärung.
LOGISTISCHE UNTERSTÜTZUNG
Einer der entscheidenden Faktoren ist die rationelle Organisation und die genug grosse Personalressource für die logistische Unterstützung der staatlichen Verteidigungskräfte.
Gleichzeitig zeigt die Erfahrung des russisch-ukrainischen Krieges, dass fast vergessene Konzepte wie die Anhäufung von Raketen- und Munitionsvorräten sowie anderer materieller und technischer Mittel notwendig sind.
Nach dem Ende des Kalten Krieges, dem Zusammenbruch der Sowjetunion und des Warschauer Paktes, verlor dieses Konzept seine Bedeutung, aber jetzt ist es sowohl für den Gegner als auch für unser Land wichtig geworden.
Die russischen Streitkräfte geben eine grosse Menge an Raketen und Munition aus. Diese haben sich in der Vorbereitung des Krieges angehäuft, so dass Russland derzeit einen erheblichen Vorteil bei Waffen und militärischer Ausrüstung, Raketen und Munition beibehält und beibehalten kann. Gleichzeitig verstärkt Russland die Militärindustrie trotz der Verhängung von beispiellosen Sanktionen durch die führenden Länder der Welt.
Die Streitkräfte der Ukraine erhalten von den Partnerstaaten umfangreiche materielle und technische Unterstützung, aber angesichts der Zunahme des durchschnittlichen täglichen Verbrauchs von Raketen und Munition ist es nicht möglich, diese Mittel in der erforderlichen Menge zu akkumulieren.
Die Partnerländer und die Mitglieder des NATO-Blocks sind derzeit dabei, ihre Produktionskapazitäten für Waffen und Munition drastisch zu erhöhen, aber dieser Prozess ist recht langwierig. Verschiedenen Schätzungen zufolge dauert es mindestens ein Jahr, bis die Produktion von Waffen und militärischer Ausrüstung, Raketen und Munition sowie anderem Material in großem Massstab aufgenommen werden kann, und für einige Waffentypen sogar zwei Jahre.
Um weiterhin gegnerische Lagerbestände wirksam zu zerstören, Logistikketten zu unterbrechen und die Versorgung mit Munition und anderem Material zu verbessern, müssen die ukrainischen Streitkräfte Langstreckenraketen einsetzen, vorzugsweise aus eigener Produktion.
Die wichtigsten Möglichkeiten zur Verbesserung der Effizienz der logistischen Unterstützung sind:
- Entwicklung und Kapazitätsaufbau der ukrainischen Rüstungsindustrie;
- Schaffung und Entwicklung eines asymmetrischen Arsenals von Waffen und militärischer Ausrüstung in der Ukraine;
- Entwicklung, Produktion und Einsatz neuer Raketentechnologie.
Bei der Planung und Organisation der eigenen Logistik muss die Fähigkeit des Gegners berücksichtig werden, der diese Anlagen unter Beschuss nehmen kann.
DIE WICHTIGSTEN SCHLUSSFOLGERUNGEN
Der Übergang des Krieges zu einer Stellungskriegsform führt zu seiner Verlängerung und birgt grosse Risiken sowohl für die Streitkräfte der Ukraine als auch für den Staat als Ganzes. Ausserdem kommt er dem Feind zugute, der versucht, seine militärische Macht auf jede erdenkliche Weise wiederherzustellen und auszubauen.
Um in der gegenwärtigen Phase der Kriegsführung aus der stationären Form herauszukommen, ist es notwendig, die Luftüberlegenheit zu erlangen, das tief verankerte System der Minenfelder zu überwinden, die Wirksamkeit der Gegenbatterie und der elektronischen Kriegsführung zu erhöhen und die notwendigen Reserven zu schaffen und vorzubereiten.
Es ist anzumerken, dass der weit verbreitete Einsatz von Informationstechnologie in militärischen Angelegenheiten und die rationelle Organisation der logistischen Unterstützung eine wichtige Rolle beim Übergang weg vom Stellungskrieg spielen.
Um die Parität mit dem Feind zu überwinden und den Stellungskrieg zu vermeiden, braucht es die Suche nach neuen und nicht trivialen Ansätzen.