Ukraine Aktuell Nr. 616 (1.11.23/24Uhr)

GEGENKANDIDAT ZU PUTIN

Bei den Wahlen zum russischen Staatspräsidenten im nächsten Jahr gilt Putin heute mit 80% der Stimmen als gesetzter Sieger. Doch jetzt meldet der aus TV-Debatten bekannte ehemalige Duma-«Parlaments»-Abgeordnete Boris Nadezhdin seine Kandidatur an. Er veröffentlicht dazu ein Manifest, in dem er Putin kritisiert (Quelle: https://twitter.com/NatalkaKyiv/status/1719713377725903091/)

«Warum kandidiere ich für das Präsidentenamt?

Ich kandidiere als prinzipieller Gegner der Politik des derzeitigen Präsidenten.

Putin sieht die Welt aus der Vergangenheit und zieht Russland in die Vergangenheit zurück. Russland braucht die Zukunft eines Landes, zu dem freie und gebildete Menschen aufschauen wollen und in das sie zurückkehren oder ziehen wollen.

Seit fast einem Vierteljahrhundert zerstört Putin konsequent die wichtigsten Institutionen des modernen Staates – ein unabhängiges Parlament, ein unabhängiges Gericht, Föderalismus, kommunale Selbstverwaltung, Redefreiheit, faire Wahlen, echten Wettbewerb in Wirtschaft und Politik.

Putin hat mit der Gründung der besonderen Militäroperation (Umschreibung des Kremls für die Invasion in der Ukraine) einen fatalen Fehler begangen. Kein einziges der erklärten Ziele ist erreicht worden. Sie sind kaum realisierbar, ohne der Wirtschaft großen Schaden zuzufügen und Russlands Demographie einen irreparablen Schlag zu versetzen.

Die staatliche Propaganda macht den Russen vom «vernünftigen Menschen» zum «Hasser».

Die Staatsduma erlässt Gesetze, nach denen jeder, der von irgendeinem Chef nicht gemocht wird, ins Gefängnis gesteckt oder seines Eigentums beraubt werden kann.

Das Land gleitet zunehmend in mittelalterlichen Feudalismus und Obskurantismus ab.

Von einem europäischen Staat, den es jahrhundertelang anstrebte, läuft Russland Gefahr, ein Vasall Chinas zu werden.

Die Illusionen von Stabilität und Sicherheit lösen sich auf.

Der Abgang Putins ist jedoch nur der erste notwendige Schritt.

Russland muss einen schwierigen Weg der Hinwendung zur Zukunft beschreiten, um einen Absturz in Chaos und Katastrophen zu vermeiden.

Die Erfahrungen, die ich im Bereich der Politik, des Staatsaufbaus und der Gesetzgebung gesammelt habe, lassen mich zu der Überzeugung gelangen, dass ich in der Lage sein werde, Russland erfolgreich durch die Übergangszeit zu führen.

Der Übergangsplan wird in Kürze veröffentlicht werden.

Ich kandidiere, weil ich davon überzeugt bin, dass es heute meine Pflicht gegenüber meinem Land, meinen Vorfahren und meinen Nachkommen ist.

In den letzten hundert Jahren haben wir zweimal Unruhen und Zerfall erlebt. Und wieder sind wir dabei, in den Trott des Autoritarismus und der Militarisierung zu geraten.

Ich werde es mir nicht verzeihen, wenn ich nicht versuche, das zu verhindern.

MIT HOFFNUNG FÜR DIE ZUKUNFT

Viel Glück für uns alle!

Boris Nadezhdin»

ZWEI PUTIN DOPPELGÄNGER

Durch die Analyse der verschiedenen Reden Putins mithilfe computergestützter künstlicher Intelligenz sind japanische Experten für Gesichts- und Stimmerkennung zu dem Schluss gekommen, dass der russische Präsident wahrscheinlich mindestens zwei Doppelgänger hat. Eine Person wurde als der echte Putin identifiziert, der im Mai 2023 an der Parade auf dem Roten Platz teilnahm.  Nach einem Vergleich der Gesichtszüge dieses Putins mit demjenigen, der im Dezember 2022 in einem Mercedes-Auto über die Krimbrücke fuhr, ergab nur 53 % Ähnlichkeit. Eine Ähnlichkeit von nur 40 %, wurde zwischen dem „Parade-Putin“ und dem Präsidenten festgestellt, der Mariupol im März 2023 besuchte. Die Ähnlichkeit zwischen Putins Gesichtszügen in Mariupol und Putin auf der Krimbrücke beträgt nur 18 %. 

Über die Analyse berichtet die britische Boulevardzeitung «The Sun». https://twitter.com/Anna_lena2022/status/1719690521600270472

KOMMNDOPOSTEN GESPRENGT

Die ukrainischen Streitkräfte haben einen Angriff auf die russische Kommandozentrale der Dnipro-Gruppierung durchgeführt. Das berichtet der russische Telegrammkanal VCHK-OGPU.

Angeblich gibt es mindestens einen Toten und mehrere Verletzte.

Die Dnipro-Gruppierung wurde zuletzt von Generaloberst Teplinski geleitet. Ob er sich zu diesem Zeitpunkt im Gefechtsstand befand, ist nicht bekannt. Das Gebiet, in dem der Angriff stattfand, wurde abgesperrt, und es wurde der Befehl erteilt, die Verbreitung von Informationen über die Tatsache des Treffers zu verhindern. https://t.me/vchkogpu/43416

Anton Gerashchenko, Berater des ukrainischen Innenministers erklärt: «Es wurde bereits mehrfach geschrieben, dass Teplinski bei Schoigu und Gerasimow in Ungnade gefallen ist und dass der russische Generalstab angeblich nichts dagegen hätte, einen zu «unabhängigen» General loszuwerden.»

SCHONUNGSLOSE ANALYSE

Der drohende Übergang zu einem Stellungskrieg ist eine ernsthafte Herausforderung für die Ukraine. Stellungskrieg bedeutet Aufschieben und das ist für den Feind von Vorteil. Ein Stellungskrieg würde Russland die Möglichkeit geben, sein militärisches Potenzial wiederherzustellen und zu steigern. Daher ist es in der modernen Realität äußerst wichtig, sich der Bedingungen für das mögliche Eintreten einer solchen Situation bewusst zu sein und sie im Interesse unseres Sieges zu verhindern. Das schreibt General Valery Zaluzhnyi, Oberkommandierender der ukrainischen Streitkräfte auf seinem Telegram-Kanal. https://t.me/CinCAFU

Zaluzhnyi verweist auf einen Interview mit ihm im «Economist»: https://www.economist.com/by-invitation/2023/11/01/the-commander-in-chief-of-ukraines-armed-forces-on-what-he-needs-to-beat-russia

In Interview analysiert Zaluzhnyi schonungslos den bisherigen Kriegsverlauf:

▪️ Wir haben einen Stand der Technologieentwicklung erreicht, der uns verblüfft. Dieser Krieg kann nicht mit Waffen der vergangenen Generation und veralteten Methoden gewonnen werden;

▪️ Um aus der Sackgasse auszubrechen, braucht die Ukraine einen großen Technologiesprung. Aber höchstwahrscheinlich wird es keinen tiefen und schönen Durchbruch geben;

▪️ «Die Meinung, dass man Russland stoppen kann, indem man seine Truppen ausbluten lässt, ist mein Fehler. Russland hat mindestens 150.000 Menschen getötet. In jedem anderen Land hätten solche Verluste den Krieg gestoppt.«;

▪️ Zur Gegenoffensive: «Zuerst dachte ich, mit unseren Kommandeuren stimmt etwas nicht, also habe ich einige von ihnen ausgetauscht. Dann dachte ich, unsere Soldaten wären vielleicht nicht gut, also habe ich die Soldaten zu anderen Brigaden versetzt.» Diese Änderungen brachten keine Ergebnisse;

▪️ Lage in Avdiivka: «Auf den Bildschirmen unserer Monitore sahen wir an dem Tag, als ich dort war, 140 brennende russische Fahrzeuge, die innerhalb von vier Stunden zerstört wurden»;

▪️ Wir sehen alles, was der Feind tut, und er sieht alles, was wir tun. Wir brauchen etwas Neues;

▪️ Die vom Westen gelieferten Waffen reichen aus, um die Ukraine im Krieg zu unterstützen, aber nicht, um ihr einen Sieg zu ermöglichen. «Sie müssen uns nichts geben, und wir sind dankbar für das, was wir haben, aber ich sage nur die Fakten»;

▪️ Durch die Zurückhaltung der Lieferungen von Langstreckenraketensystemen und Panzern ermöglichte der Westen Russland, seine Verteidigung neu zu formieren und zu stärken;

 ▪️ Es ist wichtig, den Krieg nicht in den Schützengräben ausklingen zu lassen, sonst wird er sich über Jahre hinziehen;

 ▪️ «Wir müssen nach einer Lösung suchen, wir müssen das „Schießpulver“ finden, es schnell beherrschen und für einen schnellen Sieg einsetzen. Denn früher oder später werden wir feststellen, dass wir einfach nicht genug Leute haben, um zu kämpfen.»

KRIEG STATT SCHULDEN

Die russische Armee sucht neue Soldaten, welche sie in die Ukraine auf die Schlachtfelder schicken kann. Weil die Zahl der sich freiwillig meldenden Soldaten, die sogenannten Vertragssoldaten, abnimmt, hat sich die Armeeführung eine neue Mobilisierungsidee ausgedacht. Nachdem zuerst Zuchthausinsassen für den Krieg mobilisiert wurden und im Gegenzug Straffreiheit erhielten, sind nun diejenigen Männer dran, die Schulden haben. Von den russischen Banken wurden alle Daten von Menschen die Kredite schulden, an das Verteidigungsministerium übermittelt. Diese Schuldner werden durch Drohungen in die Armee getrieben: entweder zahlen oder in den Krieg ziehen.

Schuldner sind interessante Kunden für die Armee: Grundsätzlich ist ein Schuldner ein Kreditnehmer, der etwa 40 Jahre alt ist, eine höhere Schulbildung hat, eine Familie hat und für diese sorgen muss. Das Potential an Schuldnern ist in Russland gross und wächst, je länger die Krise andauert. https://twitter.com/Gerashchenko_en/status/1719624240092131816

1 MILLION SCHUSS AUS NORDKOREA

Nach Angaben von Bloomberg (unter Berufung auf einen südkoreanischen Gesetzgeber) hat Nordkorea Russland mehr als eine Million Artilleriegeschosse für den Krieg in der Ukraine geschickt.

Dies entspricht ungefähr der Menge an Munition, die Russland in zwei Monaten für den Krieg mit der Ukraine ausgibt. Vermutlich hat Nordkorea im Austausch für die Munition technologische Unterstützung von Russland erhalten.

Dabei könnte es sich um Raumfahrttechnologie handeln, da die beiden vorangegangenen Versuche Pjöngjangs, zu Beginn des Jahres einen Spionagesatelliten zu starten, gescheitert sind. Nun plant Nordkorea laut Geheimdienstberichten zum dritten Mal den Start eines Satelliten. https://www.bloomberg.com/news/articles/2023-11-01/north-korea-sent-1-million-rounds-to-russia-spy-agency-says

PARLAMENT OHNE DEBATTEN

Das Mikrofon des Abgeordneten Boris Wischnewski aus St. Petersburg wurde ausgeschaltet, nachdem er vorgeschlagen hatte, den Krieg in der Ukraine zu beenden und Verhandlungen zu führen. Gleichzeitig wurde er gewarnt, dass das Rednerpult des Parlaments kein Ort für politische Äusserungen sei. https://twitter.com/Anna_lena2022/status/1719679861160091879

Das Video gibt es hier: https://twitter.com/i/status/1719679861160091879

Boris Wischnewskij ist ein Mitglied der gesetzgebenden Versammlung von St. Petersburg, Kolumnist der «Nowaja Gaseta», stellvertretender Vorsitzender der Partei «Jabloko», Träger der «Goldenen Feder von Russland». https://twitter.com/visboris

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