Ukraine Aktuell Nr. 468 (6.6.23/23Uhr)

KACHOVKA STAUDAMM GESPRENGT

Kurz nach Mitternacht erschütterte eine Explosion den von Russen besetzten Staudamm des Wasserkraftwerks Kachovka in der ukrainischen Region Kherson. Im Staudamm entstand eine Bresche von 250 Metern Breite, die sich bis am Abend auf 400 Meter vergrösserte.

Von den Wasserfluten betroffen sind mehrere zehntausend Menschen, die unterhalb des Staudamms leben. Rund 80 Städte, Dörfer und Siedlungen sind teils oder ganz überschwemmt.

1’700 Personen auf der linken Seite des Dnjepr wurden evakuiert. Auf der von Russland besetzten Seite könnten bis zu 25’000 Personen evakuiert, respektive nach Russland deportiert werden. Das nun gesprengte Reservoir sorgte für die Wasserversorgung von mehreren Millionen Menschen. (Verschiedene Agenturen)

«Zu dieser Stunde wissen wir, dass 1’335 Häuser am rechten Ufer unter Wasser stehen. Am linken Ufer sind die russisch besetzten Orte Pischchane, Stara Zburivka, Kozachi Laheri, Kardashynka, Krynky, Hola Prystan und Oleshky teilweise überflutet.

Korsunka und Dnipriany sind vollständig überflutet». Das sagte Gouverneur Oleksandr Prokudin gegen 20 Uhr. https://t.me/KyivIndependent_official/19572

HÖHEPUNKT MORGEN FRÜH

Nach neusten Meldungen sind 11 der 28 Abschnitte des Dammes gebrochen.

Bereits im Oktober hatten schwedische Ingenieure die Folgen eines kompletten Dammbruchs simuliert. Die Folgen: 19 Stunden nach dem Bruch – also Dienstag gegen 20 Uhr wird eine Wasserwelle auf die Antonivskyi-Brücke in Kherson treffen. Die Stadt selber wird weitgehend verschont bleiben mit Ausnahme des Hafengebiets.

Siedlungen auf beiden Seiten des Dnjepr werden überflutet. Nach 50 Stunden wird die Flut im Flussdelta beim Schwarzen Meer eintreffen, prognostizierten die schwedischen Forscher. https://t.me/c/1394092619/48632

Für Mittwochmorgen wird der Höhepunkt des Wasseraustritts erwartet und in 2 bis 4 Tagen wird der Stausee nicht mehr existieren, sagte der Geschäftsführer von Ukrhydroenergo, Igor Syrota.

Ihm zufolge wird das Wasser bei diesem Szenario in drei bis vier Tagen zurückgehen und innerhalb von zehn Tagen wird das gesamte Wasser ins Schwarze Meer fliessen.

Das Wasserkraftwerk sei komplett zerstört und könne nicht wiederhergestellt werden, denn die Hydraulik sei weggeschwemmt worden. https://t.me/c/1394092619/48658

DRAMATSCHE FOLGEN

Nach der Zerstörung des Wasserkraftwerks Kachovka könnten sich die Felder im Süden der Ukraine bereits im nächsten Jahr in Wüsten verwandeln, so die Prognose des ukrainischen Ministeriums für Agrarpolitik.

94 % der Bewässerungssysteme in der Region Cherson, 74 % in der Region Saporischschja und 30 % in der Region Dnipropetrowsk könnten ohne Wasserquelle bleiben. https://t.me/uniannet/100775

Die Folgen der Zerstörung des Wasserkraftwerks werden sich in etwa einer Woche zeigen, wenn das Wasser zurückgeht, sagte Präsident Volodymyr Zelenskyj. Er fügte hinzu, dass auch das Problem der 150 Tonnen Maschinenöl, die in den Fluss Dnipro ausgelaufen sind, in Angriff genommen wird. https://t.me/c/1394092619/48654

ZELENSKYJ KLAGT AN

Der ukrainische Staatspräsident Volodymyr Zelenskyj sagte zur Katastrophe:

«Leider kontrolliert Russland seit mehr als einem Jahr sowohl den Damm als auch das gesamte Kraftwerk Kachovka. Es ist physisch unmöglich, es von aussen zu sprengen – durch Beschuss. Es wurde vermint. Es wurde von den russischen Besatzern vermint und von ihnen in die Luft gesprengt. Es war eine absolut vorsätzliche, vorbereitete Explosion.

Sie wussten genau, was sie taten. Russland hat eine Bombe mit massiven Umweltschäden gezündet. Dies ist ein echter Ökozid. Dies ist die größte von Menschen verursachte Umweltkatastrophe in Europa seit Jahrzehnten. Dies ist der gefährlichste Terrorist der Welt.

Und deshalb wird die Niederlage Russlands – eine Niederlage, die wir ohnehin sicherstellen werden – der wichtigste Beitrag zur Sicherheit unserer Region, unseres Europas und der ganzen Welt sein.» https://t.me/c/1394092619/48633

BELEG FÜR SPRENGUNG

Physik-Professor Richard Cordaro von der Universität in Arizona hat verschiedene Quellen ausgewertet, welche die Explosion beim Staudamm Kachovka belegen.

Unter anderem veröffentlichter er die Infraschalldetektion der Explosion am Kachovka-Staudamm durch das «Central and Eastern European Infrasound Network» (CEEIN), aufgenommen in Bucovina, Rumänien. Weitere wissenschaftliche Hinweise unter https://twitter.com/rrichcord

REPARATUR NACH BEFREIUNG

Solange der Krieg andauert, kann der Staudamm des gesprengten Wasserkraftwerks Kachovka nicht wiederhergestellt werden.

«Dies ist das Ausmass einer von Menschen verursachten Katastrophe, die wir noch gar nicht kennen. Der Bau eines neuen Wasserkraftwerks oder die vollständige Reparatur dieses Kraftwerks wird erst erfolgen, wenn sich die Lage an der Front stabilisiert und wir den Feind besiegt haben».

Das sagte Oleksiy Kuleba, stellvertretender Leiter der ukrainischen Präsidialverwaltung. https://t.me/c/1394092619/48647

DAMMSPRENGUNG UND OFFENSIVE

Neben der ökologischen und humanitären Katastrophe hat die Sprengung des Dammes zwei positive Auswirkungen für die Ukraine. Diese zählte der ukrainische Parlamentsabgeordnete Oleh Dunda auf.

Erstens würde der gesprengte Damm die Offensive der Ukrainer unterstützen. Bisher habe die ukrainische Armee den Dnjepr nicht überschritten, weil sie befürchten musste, unter den Fluten eines gesprengten Dammes getötet zu werden.

Diese Gefahr bestehe nun nicht mehr und die überschwemmte linke Seite des Dnjeprs sei vor allem für die dort anwesende russische Armee ein Problem.

Zweitens, so Dunda: Mit der Sprengung des Dammes sei die Wasserversorgung der Krim gefährdet. Dies würde die Befreiung der derzeit besetzten Halbinsel erleichtern. https://t.me/astrapress/28949

Tatsächlich wird der Nord-Krim-Kanal, durch den Wasser auf die Halbinsel gelangt, durch die Explosion des Wasserkraftwerks Kakhovka seicht werden. https://t.me/nvua_official/53433

REAKTIONEN AUF DAMMSPRENGUNG

Der offizielle Twitter-Account der Vereinten Nationen brauchte mehr als 12 Stunden nach dem Sprengstoffanschlag auf den Damm bis dort eine sehr kurze Nachricht erschien, ohne Erwähnung Russlands:

«Zivilisten und zivile Infrastruktur sollten keine Ziele sein. Sie müssen geschützt werden. Zu jeder Zeit. Überall», heisst es in der Erklärung. https://t.me/c/1394092619/48634

Im Namen der US-Regierung sagte John Kirby vom Nationalen Sicherheitsrat: «Wir können nicht schlüssig sagen, wer für den Bruch des Kachovka-Damms verantwortlich ist.»

Und: «Wir haben die Berichte gesehen, wonach Russland für die Explosion des Staudamms verantwortlich ist. Ich möchte daran erinnern, dass die russischen Streitkräfte das Gebiet im vergangenen Jahr illegal übernommen haben und es seither besetzen. Wir tun unser Bestes, um diese Berichte zu bewerten». https://www.bloomberg.com/news/articles/2023-06-06/white-house-says-us-hasn-t-determined-if-russia-behind-dam-blast?leadSource=uverify%20wall

Russland beschuldigt die Ukraine, den Damm gesprengt zu haben und bezeichnet dies als «terroristischen Akt». Russland macht Kiew und die Länder, die es unterstützen, für die Tragödie um das Kraftwerk verantwortlich. Russland wird eine Sitzung des UN-Sicherheitsrats zur Zerstörung des Wasserkraftwerks Kachovka beantragen, sagte der ständige Vertreter Russlands bei der Uno, Wassili Nebenzya, gemäss der Propagandaagentur RIA-Novosti. https://t.me/rian_ru/204935

PAPST GESANDTER IN KIEW

Der päpstliche Gesandte für die Beilegung des Ukraine-Konflikts, Kardinal Matteo Zuppi, hat einen zweitägigen Besuch in Kiew abgeschlossen, den der Vatikan als «kurz, aber ereignisreich» bezeichnete.

«Die Ergebnisse dieser Gespräche … werden dem Heiligen Vater zur Kenntnis gebracht und werden zweifellos nützlich sein, um die weiteren Schritte zu bewerten», so der Vatikan. Der päpstliche Gesandte wird auch zu einem Besuch in Moskau erwartet. https://t.me/rian_ru/204922

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