FOTO: Jordan Bardella, 28-jähriger Präsident der rechtsextremen RN, mit schwarzer Krawatte und siegessicher fordert von den Wählern jetzt die absolute Mehrheit.
Nach dem ersten Wahlgang der vorgezogenen französischen Parlamentswahlen ist die rechtsextreme Partei «Rassemblement National» im Höhenflug, die Linke stagniert, das Macron-Bündnis ist geschlagen und gleichzeitig ist noch nicht klar, wer wie viele Stimmen im Parlament erreicht.
ERFOLG DER RECHTSEXTREMEN
Gemäss dem noch nicht offiziellen Resultat erreicht die rechtsextreme Partei «Rassemblement National» (RN) 34% der Stimmen. Vor 2 Jahren hatte die Partei noch 18,7%. Bei einer Stimmbeteiligung von über 65% wählten 12 Millionen Franzosen und Französinnen diese Partei. Vor 2 Jahren stimmten – bei einer tieferen Wahlbeteiligung von 49% – 4 Millionen Franzosen für RN. Die Gründerin der Partei, Marine LePen, wurde in ihrem Wahlkreis mit über 50% direkt ins Parlament gewählt.
STAGNIERENDE LINKE
Das Bündnis von Sozialisten, Kommunisten, Umweltschützern und der linksradikalen Partei LFI («La France Insoumise» / Unbeugsames Frankeich) mit dem Namen «Nouveau Front Républicain (NPF)» erreichte heute 28.1 Prozent. Das sind 2,5% mehr als vor 2 Jahren. Der Chef der Kommunistischen Partei, der seit 1988 im Parlament war, wurde in seinem Wahlkreis abgewählt, wo ein Vertreter des rechtsextremen RN die absolute Mehrheit erreichte. Und der vormalige Präsident Francois Hollande muss in seinem Wahlkreis in einen zweiten Wahgang, wie die Mehrheit der aktuellen Minister.
GESCHLAGENE MACRON-PARTEIEN
Das der Regierung nahestehende Liberale Bündnis erreichte heute 20,3 Prozent. Das sind 5 % weniger als vor 2 Jahren. Damals war dieses Bündnis nach dem ersten Wahlgang noch auf Platz 1, jetzt nur noch auf Platz 3.
Marine LePen, die tatsächliche Chefin von RN sagte dazu: «Der Block Macron ist praktisch ausgelöscht» (Die Sprache verrät die Gesinnung). Und Jean-Luc Mélenchon, Chef der «France Insoumise/LFI» nannte das Resultat «eine schwere und undiskutable Niederlage für die Macronie».
PARLAMENTSSITZE (SCHÄTZUNG)
Gemäss der Wahlanalysten erreicht die LePen-Partei 230 – 280 Abgeordnete von 570 (Bisher hatte RN 79 Sitze). Der Linksblock «Nouveau Front Populaire» und unabhängige Linke kommen auf 126 – 184 Abgeordnete (Bisher hat dieser Block 131 Sitze). Das Regierungsbündnis kommt noch auf 70 – 100 Abgeordnete (bisher hatten die Pro-Macron Parteien 245 Sitze).
Wie viele Sitze jede Partei tatsächlich erreicht und ob es für die RN zum absoluten Mehr reicht, hängt vom zweiten Wahlgang ab. Dennoch sagt der aktuelle Ministerpräsident Gabriel Attal heute Abend: «Das rechtsextreme Rassemblement National steht an der Türe zur Macht.»
FAST 300 «DREIECKE»
Die 570 Parlamentarier werden in 570 Wahlkreise gewählt. In einigen Wahlkreise erreichten Kandidaten das absolute Mehr. Für die kommenden Parlamentsmehrheiten ist jedoch in 300 Wahlkreisen die Ausgangslage kompliziert, weil jeweils drei Kandidaten an der Spitze sind. In der Mehrheit der Fälle handelt es sich um ein Trio von Kandidaten der Rechtsextremen, der Linksradikalen und des Regierungsbündnisses.
Bleibt es bei diesen «Dreiecken» wird RN den Sitz mit grosser Wahrscheinlichkeit erobern. Es geht also um die Frage, welche Vertreter der Linken oder der Mitte ihre Kandidaturen zurückziehen, um die RN-Vertreter schlagen zu können.
Dieses Thema wird die kommenden zwei Tage dominieren. Bis am Dienstagabend muss deklariert werden, wer wo antritt.
Der französische Ministerpräsident hat hier die Richtung vorgegeben: «Wir müssen alles tun, damit RN nicht die absolute Mehrheit erreicht».
(Ein Artikel, der das französische Wahlsystem erklärt, gibt es hier: https://aldrovandi.net/2024/06/29/frankreich-die-qual-dieser-wahl/