Im Hinblick auf die Neuwahlen in 17 Tagen in Frankreich gibt es erste Entscheidungen.
(FOTO: Marion Maréchal-LePen und Éric Ciotti haben drei Dinge gemeinsam: Sie sehen nett aus, sind rechtsextrem und wurden aus ihrer Partei ausgeschlossen.
Drei Tage nach der Europawahl und der sofortigen Auflösung des nationalen Parlaments hat sich in Frankreich die Ausgangslage auf der linken und der rechten Seite einigermassen geklärt, während in der Mitte Unklarheiten dominiert.
Spaltung bei den Rechtsextremen
«Rassemblement National» (RN), die Partei von Marine Le Pen und Jordan Bardella ist Siegenstrunken und überzeugt, ab dem 8.Juli den Regierungschef zu stellen.
Der RN-Erfolg führt zu einer Spaltung der anderen rechtsextremen «Reconquête» Partei des zweifach wegen Rassismus vorbestraften Journalisten Éric Zemmour.
«Reconquête» war mit Marion Maréchal-LePen als Spitzenkandidatin zu den Europawahlen angetreten und erreichte 5,5 % der Stimmen. Nach diesem Erfolg trat die Nichte des Faschisten Jean-Marie LePen sofort den Weg «zurück in die Familie» an. Sie sprach sich für ein Zusammengehen von «Reconquête» und «Rassembement National» ihrer Tante Marine LePen aus. Das kam bei Zemmour nicht gut an. Er warf seine eigene Spitzenkraft mit sofortiger Wirkung aus der Partei.
Spaltung bei den Rechten
Der Niedergang der bürgerlichen Rechten «Les Républicains» mit nur noch 7,25% Stimmen war die Gelegenheit für Eric Ciotti Farbe zu bekennen. Der Präsident der «Républicains» erklärte, ohne dass er zuvor die Partei informiert hatte, dass sie bei den Wahlen mit der Partei von LePen/Bardella zusammengehen.
Ciotti war schon zuvor als rechtsradikaler Politiker aufgefallen und benahm sich in Frankreich ähnlich wie Andreas Glarner innerhalb der Schweizer SVP.
Aber sein Sololauf überraschte das Partei-Establishment doch. Während sich Ciotti im wörtlichen Sinn mit seinem Schlüssel in der Parteizentrale einschloss, entschied die Parteiführung den sofortigen Ausschluss seines Präsidenten von den «Républicains».
Seit seinem Rauswurf sammelt Ciotti Online-Unterschriften für seinen Pro-LePen-Entscheid und drohte rechtliche Schritte gegen seine politische Liquidation an.
Seltsame «Front populaire»
Die NUPES – «Neue Volksunion für Umwelt und Soziales» – war ein Bündnis von Sozialisten (PS), Kommunisten (PCF), Grünen (Ecolos) und Linksextremen des «Unbeugbaren Frankreich» (France Insoumise). Sie platzte, weil sich der Chef von France Insoumise, Jean-Luc Mélenchon, nicht vom Anti-Semitismus und Hamas distanzieren wollte.
Trotz dieser Differenzen gehen diese vier Parteien wieder ein Bündnis ein: Es heisst nun «Front Populaire». Damit wird eine Parallele gezogen zu den 30-er Jahren des letzten Jahrhunderts, als sich die damalige «Front Populaire» gegen den aufkommenden Faschismus bildete. Ihr einziges Ziel sei es die Machtergreifung der Rechtsextremen zu verhindern, schrieb die neue Front Populaire. Mélonchon selbst sagte in der Tagesschau des staatlichen Sender Antenne2, dass er sich als fähig betrachte, Ministerpräsident Frankreichs zu sein.
«Die damaligen Gründer der Front Populaire würden sich im Grab umdrehen, wenn sie erfahren, dass jemand, der den Anti-Semitismus nicht kritisiert, an deren Spitze ist.», sagte dazu Emmanuel Macron.
Macron auf allen Ebenen geschwächt
Auch Frankreich Staatspräsident Emmanuel Macron ist jetzt im Wahlkampfmodus. Begleitet von seinem Premierminister Gabriel Attal und den wichtigsten Ministern seiner Regierung hielt er eine eineinhalbstündige programmatische Rede vor Journalisten. Seine Regierung und die mit ihm verbundenen Partei «Renaissance» – die bei den Europawahlen nur 14.6% der Stimmen erhielt – seien der einzige Garant gegen das Chaos der Extreme.
Möglich ist, dass der noch vorhandene Teil der «Républicains» diesem Ruf folgt, aber sicher ist das nicht. Die Partei hat am Sonntag ein Zusammengehen mit Macron ausgeschlossen.
Ein anderes Feld wären «vernünftige» Sozialisten und Umweltschützer. Aber nachdem sich diese der «Front Populaire» angeschlossen haben, besteht auch da wenig Spielraum.
Das Schwierigste am Wahlkampf für Macron und seiner Partei dürfte sein, dass der Europawahl-Erfolg der Rechtsextremen einen ganz wesentlichen Grund hatte: Hinter vielen Stimmen für LePen/Bardella stand die Ablehnung von Emmanuel Macron. Wie er aus dieser Situation eine dritte Kraft zwischen Rechts- und Linksextrem bilden kann, ist eine noch unbeantwortete Frage.