Ukraine Aktuell Nr. 387 (17.3.23/22Uhr)

ERSTE HAFTBEFEHLE

Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH/ICC) hat heute Haftbefehl gegen Putin und die Kinderrechtskommissarin in Putins Präsidialverwaltung, Maria Lwowa-Belowa, erlassen. Vorgeworfen wird den beiden die Verschleppung von ukrainischen Kindern aus den besetzten Gebieten, für welche sie «persönlich verantwortlich» seien.

Den Antrag auf Haftbefehl stellte der ICC-Chefankläger Karim A. A. Khan. Er schrieb heute: «Auf der Grundlage der von meinem Büro im Rahmen seiner unabhängigen Untersuchungen gesammelten und analysierten Beweise hat die Vorverfahrenskammer bestätigt, dass es hinreichende Gründe für die Annahme gibt, dass Präsident Putin und Frau Lvova-Belova für die rechtswidrige Deportation und Verbringung ukrainischer Kinder aus den besetzten Gebieten der Ukraine in die Russische Föderation strafrechtlich verantwortlich sind und damit gegen Artikel 8 Absatz 2 Buchstabe a Ziffer vii und Artikel 8 Absatz 2 Buchstabe b Ziffer viii des Römischen Statuts verstossen.»


Und weiter: «Zu den von meinem Büro festgestellten Vorfällen gehört die Deportation von mindestens Hunderten von Kindern, die aus Waisenhäusern und Kinderheimen entführt wurden. Viele dieser Kinder wurden, wie wir behaupten, inzwischen in der Russischen Föderation zur Adoption freigegeben. Das Gesetz wurde in der Russischen Föderation durch Präsidialdekrete von Präsident Putin geändert, um die Verleihung der russischen Staatsbürgerschaft zu beschleunigen und so die Adoption durch russische Familien zu erleichtern.»
https://www.icc-cpi.int/news/statement-prosecutor-karim-khan-kc-issuance-arrest-warrants-against-president-vladimir-putin

Putin ist nach dem Sudanesen Omar al-Bashir und dem Libyer Muammar Gaddafi erst der dritte amtierende Präsident, gegen den ein IStGH-Haftbefehl vorliegt.

PUTIN INTERNATIONAL ISOLIERT

Die Ausstellung eines Haftbefehls gegen Putin bedeutet, dass er ausserhalb Russlands verhaftet und vor Gericht gestellt werden sollte, sagt der ukrainische Generalstaatsanwalt Andrej Kostin:

«Die führenden Politiker der Welt werden es sich dreimal überlegen, bevor sie ihm die Hand schütteln oder sich mit ihm an den Verhandlungstisch setzen.
Die Welt hat ein Signal erhalten, dass das russische Regime kriminell ist und dass seine Führung und seine Handlanger vor Gericht gestellt werden», sagte Kostin. https://t.me/UaOnlii/48234

WO PUTINS NICHT MEHR HINREISEN KANN

Das Römer Statut ist die Grundlage für den Internationalen Strafgerichtshof. Auf der Weltkarte sind jene Staaten in grün eingezeichnet, die Putin verhaften können, denn die 123 Staaten haben das Römer Statut unterzeichnet. Heikel ist ein Aufenthalt für Putin auch in den 31 gelben Staaten, denn diese haben das Abkommen unterzeichnet, aber noch nicht ratifiziert, könnten aber trotzdem aktiv werden.
So bleiben Putin als mögliche Reiseziele nur noch ein paar Staaten im Osten Europas – und die USA.
https://de.wikipedia.org/wiki/R%C3%B6misches_Statut_des_Internationalen_Strafgerichtshofs#Vertragsstaaten
«Theoretisch» – so schrieb mit heute ein Assistent des Instituts für Völkerrecht der Uni Zürich – «könnten auch die Staaten, welche orange oder rot eingezeichnet sind, einen Haftbefehl vollziehen.»

16’226 KINDER VERSCHLEPPT

Aus den besetzten Gebieten wurden seit dem 24. Februar 2022 16’226 Kinder verschleppt. Lediglich 308 kamen bisher zurück. Ausserdem starben im Krieg bisher mindestens 464 Kinder und über 900 wurden verletzt.

FOTO: Die neben Putin mit Haftbefehl gesuchte «Kinderrechtskommissarin in Putins Präsidialverwaltung», Maria Lwowa-Belowa. Auf dem Bild ist sie, gemeinsam mit dem russischen Geheimdienst FSB in einem Waisenhau im damals besetzten Kherson zu Besuch. Sie begutachtetw dort Kindern, die aus der Krim via Kherson «neuen Pflegeeltern» in Russland übergeben wurden. https://twitter.com/maria_avdv/status/1636781654042722318

RUSSLANDS KRIEG GEGEN DAS RECHT

Im Zusammenhang mit dem Haftbefehl gegen die Kriegsverbrecher au dem Kreml und dem Krieg Russlands gegen die Ukraine tauchen verschiedene Begriffe auf, die nicht selbsterklärend sind.

Was «Römer Statut», «Kriegsverbrechen, «Völkermord/Genozid», «Verbrechen gegen die Menschlichkeit» und «Aggressionskrieg» inhaltlich bedeuten, habe ich am 19.April des letzten Jahres aufgezeigt. Hier der Artikel aus dem Archiv: https://aldrovandi.net/2022/04/19/russlands-krieg-gegen-die-ukraine-und-internationales-recht/

REAKTION DES KREML AUF HAFTBEFEHL

Steve Rosenberg von BBC-Moskau fasst die Reaktionen zu den Haftbefehlen des Internationalen Strafgerichtshofs so zusammen:

Kreml-Sprecher Dmitri Peskow: «Unerhört & inakzeptabel … null & nichtig aus rechtlicher Sicht.»
Ex-Präsident Medwedew: „Es muss nicht erklärt werden, WO dieses Papier verwendet werden soll“ (gefolgt von Emoji einer Toilettenpapierrolle)».
https://twitter.com/BBCSteveR/status/1636775058646667265

SERBIEN GEGEN HAFTBEFEHL

Der serbische Präsident Aleksandar Vucic hat sich bisher nicht von Putins Verbrechen distanziert. Das war auch heute so.

Zum Haftbefehl gegen Putin sagte Vucic gegenüber Journalisten: «Das Einzige, was sicher ist, ist, dass dies eine Eskalation ist, die kein Ende hat. Ich fürchte, wir steuern auf den grössten Konflikt in der Geschichte der Welt zu. Ich frage mich, ob irgendjemand klug genug ist, dies nicht durchzuziehen, und ob irgendjemand versteht, was dies für Folgen haben wird». https://t.me/llordofwar/99929

Dazu zwei Anmerkungen: Serbien würde gerne Mitglied der Europäischen Union werden. Und: Der «Internationaler Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien» hatte bis 2017 in einem grossangelegten Verfahren insbesondere gegen Serben von 161 angeklagten Personen insgesamt 84 verurteilt. Darunter waren Ex-Serbenführer Radovan Karadzic, der für den Völkermord von Srebrenica zu 40 Jahren Gefängnis verurteilt wurde oder die lebenslängliche Strafe gegen den militärische Chef der bosnischen Serben, Ratko Mladic.

BAKHMUT ZIVILISTEN EVAKUIERT

Nicht kämpfende Bewohner der belagerten Stadt Bakhmut im Osten der Ukraine werden verstärkt evakuiert. Es sei unmöglich humanitäre Hilfe in die Stadt zu bringen. Das sagte der stellvertretende Bürgermeister von Bakhmut, Oleksandr Marchenko. https://t.me/suspilnedonbas/11889

Bakhmut bleibt das Epizentrum der Kämpfe. Die russische Armee versucht, die ukrainischen Verteidigungsanlagen in mehreren Richtungen zu durchbrechen und die Stadt vollständig zu umzingeln. Das sagte der Kommandeur der Landstreitkräfte, Generaloberst Oleksandr Syrsky. https://t.me/suspilnedonbas/11893

RUSSEN ERRICHTEN NEUE FOLTERRÄUME

In den zurzeit noch besetzten Gebieten der Region Saporischja errichten die Invasoren weitre Folterräume. Diese werden, gemeinsam mit lokalen Kollaborateuren, betrieben.

In den Räumen werden Frauen und Männer mit pro-ukrainischen Ansichten schwer gefoltert, ebenso wie diejenigen, die den Forderungen der sogenannten lokalen Besatzungsbehörden nicht nachkommen wollen.
Über die neuen Folterräume im südöstlichen Teil von Enerhodar der Region Saporischschja berichtet der ukrainische Generalstab. https://twitter.com/Flash_news_ua/status/1636772733483728911

DAS IRANISCHE DROHNENARSENAL

Bekanntlich liefert der Iran sogenannte Killer-Drohnen vom Typ Shahed-136 an Russland, auch wenn das der Iran abstreitet.

Die islamische Republik Iran war eines der ersten Länder der Welt, das bereits während des iranisch-irakischen Krieges von 1980 bis 1988 unbemannte Kampfflugzeuge (UCAVs) einsetzte.
Angereichert mit Kopien amerikanischer Drohnen hat der Iran sein Arsenal seither erheblich erweitert.

Die Militärexperten von Oryx haben alle Typen und ihre jeweilige Bewaffnung in einer übersichtlichen Liste aufgeführt. https://www.oryxspioenkop.com/2019/09/the-oryx-handbook-of-iranian-drones.html

FINLAND VOR NATO-BEITRITT

Ungarn und die Türkei haben ihren Widerstand gegen die Aufnahme Finnlands in die NATO aufgegeben.

Ungarn mit Staatschef Victor Orban an der Spitze hat das Beitrittsgesuch der Finnen monatelang verschleppt. Heute gab der Regierungssprecher bekannt, dass man für den Beitritt sei.

Die Türkei unter Führung von Präsident Erdogan hatte mit einem Veto gedroht. Heute hatte sich Erdogan mit seinem finnischen Amtskollegen Sauli Niinisto in Ankara getroffen.
Über den Antrag Schwedens, das auch in die NATO will, haben die beiden Länder noch nicht entschieden.

Abgesehen von Ungarn und der Türkei haben alle anderen NATO-Mitglieder die Bewerbungen Finnlands und Schwedens ratifiziert. Für einen NATO-Beitritt braucht es Einstimmigkeit. Finnland und Schweden hatten ihre Anträge zwei Monate nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine eingereicht. https://kyivindependent.com/news-feed/media-turkey-to-ratify-finlands-nato-bid

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