UKRAINE STORYS: 70 Tage Gefangenschaft

Schläge, Einschüchterung und Isolationshaft. Dieser Artikel von Natalia Rop auf der Plattform www.nv.ua (von mir redaktionell bearbeitet) erzählt die Geschichte von Kaplan Vasyl Vyrozub.

Der ukrainische Priester verbrachte 70 Tage in russischer Gefangenschaft, nachdem er im Februar auf der Schlangeninsel gefangen genommen worden war.

Am 31. März, nach mehr als einem Monat in Gefangenschaft, schickten die Russen den Priesterkaplan von Odessa, Vasyl Vyrozub, in die Isolationszelle. Er wurde gezwungen, sich nackt auszuziehen. Vier Tage lang blieb er so in einer kalten, kleinen Zelle ohne Fenster, Toilette oder Waschtisch eingesperrt.

«Ich habe erst nach einem Tag verstanden, warum ich dort sass.

Am ersten Tag kamen ein russischer Major und ein anderer Mann und sagten, dass ich Zeit habe, darüber nachzudenken, was ich ihnen sagen soll. Ich solle ihnen die Informationen geben, die ich ihnen bisher verheimlicht habe.
Am zweiten Tag begannen die Schläge.
Am dritten Tag versetzten sie mir einen Stromschlag.»

Nach 70 Tagen in Gefangenschaft und vier Monaten nach seiner Freilassung ist der Priester wieder zu Hause in Odessa. Aus Angst um seine Mitgefangenen wollte er lange nicht über seine Erlebnisse berichten. Aber nach dem Massenmord an über 50 Asovstal Kämpfern in Gefangenschaft in Olenivka, bricht er sein Schweigen.

DIE SCHLANGENINSEL MISSION

Vasyl Vyrozub ist Abt der Dreifaltigkeitskirche der Orthodoxen Kirche der Ukraine (OCU) in Odessa und Seelsorger der ukrainischen Militärangehörigen.

Am Morgen des 25. Februar, dem zweiten Tag des russischen Überfalls, rief ihn der Marinekapitän an und bat ihn, auf die Schlangeninsel (Ukrainisch: Zmiiny) zu fahren. Die Marine vermutete, dass auf der Insel ukrainische Soldaten gestorben waren, getötet vom russischen Kriegsschiff «Moskwa». Der Priester sollte, zusammen mit anderen, die Leichen bergen und nach Hause bringen.

Der Pfarrer, zwei evangelische Priester, ein Arzt und 19 Besatzungsmitglieder des Rettungsschiffes «Saphir» machten sich auf den Weg zur Insel Zmiyny.

«Ich kann nicht sagen, dass ich keine Angst um mein Leben hatte. Aber noch mehr Sorgen machte mir, wie ich alles richtig mache … Wie ich die Kinder (die Soldaten) identifizieren kann, wie ich sie nach Hause bringe, wie ich sicherstelle, dass die Seeleute keine Angst haben.»

Am Morgen des 26. Februar setzte die «Saphir»-Expedition Anker vor Zmiiny und wartete auf das russische Inspektionsteam.

UNSTERBLICH ODER IDIOTEN?

Nach einigen Stunden erschienen Männer in Uniform, die Waffen in der Hand. Zuerst zwangen sie alle 22 Personen auf die Knie und begannen das Schiff nervös zu inspizieren.

Erst danach stellten sie Fragen: «Wer sind Sie? Warum seid ihr gekommen? Wisst ihr überhaupt, wohin ihr gekommen seid? Seid ihr Unsterbliche oder Idioten?»

Der Priester mit Gehrock und dem Kreuz in der Hand sagte: «Unsterblich».

Die Besatzung erfuhr, dass alle ukrainischen Soldaten am Leben und in russischer Gefangenschaft seien. Es gab niemanden abzuholen. Sie könnten wieder nach Odessa zurückfahren.

FAKE NEWS PRODUZIEREN

Doch vor ihrer Rückreise sollten die «Saphir» noch etwas für die Russen tun. Das Schiff wurde zu jenem Teil der Insel gelotst, der nach dem russischen Beschuss fast intakt war.

Matrosen und Kapläne erhielten den Befehl, hier Fotos zu machen und ihren Vorgesetzten zu senden: Sie sollten so tun, als sei die Insel nicht bombardiert worden und als hätten sich die Grenzsoldaten «ergeben». Die Besatzung der Saphir übermittelte den Bericht, woraufhin die Russen die Verbindung unterbrachen und sie gefangen nahmen.

DAS BIEST «MOSKWA»

Noch auf dem Schiff versuchte Vyrozub, von einem der Soldaten zu erfahren, was als nächstes mit ihnen geschehen würde. Der Mann antwortete, dass sie eventuell festgehalten würden, bis zum Ende der «Sonderoperation».

Der Priester erinnert sich: «Ich sagte dem Mann, dass dieser Krieg 2 bis 3 Monate, vielleicht sogar ein Jahr dauern könne. Daraufhin schlug er sich an die Stirn und zeigte auf den (im Mai versenkten) Kreuzer Moskva und sagte: Du, Priester, sieh dir dieses Biest an! Wenn sie schiesst, dann wird nicht nur Zmiiny, sondern auch deine Ukraine verschwunden sein. 7-8 Tage – mehr nicht.»

KOMPROMITIERENDE FOTOS

Die Russen inspizierten das Smartphone des Priesters Sie fanden Fotos, die den Priester mit dem ukrainischen Verteidigungsminister, Generälen und Bildern von der Front zu sehen waren.

Als «Sahnehäubchen» entdeckten die Soldaten ein Foto des Priesters mit Dmytro Jarosch, dem ehemaligen Führer des rechtsextremen «Rechten Sektors».

Diese Fotos wurden später zu einem der Gründe für die brutale Behandlung des Priesters in der Gefangenschaft.

GEFANGEN AUF DER KRIM

Alle Mitglieder der Rettungsmission wurden mit dem russischen Schiff «Shakhtar» auf die besetzte Halbinsel Krim gebracht. Sie wurden im Wachturm der russischen Seestreitkräfte in Sewastopol eingesperrt und die Verhöre begannen. Es waren pro Tag 3 bis 4. Zu dieser Zeit setzten die Russen noch keine Folter ein.

Sie fragten mich ständig, wo die «Banderisten» seien und ob ich wisse, wo Bandera sei. Sie wussten nicht, dass Bandera bereits 1959 in München ermordet worden war. Sie glaubten wirklich, sie würden uns «befreien».

Nach 11 Tagen wurden der Priester und weitere Gefangene in die russische Stadt Shebekino geflogen, 200 km von der ukrainischen Grenze entfernt, in der Region Belgorod.

DAS FILTRATIONSLAGER

Am Rande der Stadt hatten die Russen in aller Eile eine Zeltstadt für die Gefangenen errichtet. Die Ukrainer, die noch vor wenigen Stunden auf der warmen Krim waren, fanden sich in der Kälte wieder – draussen herrschten Minus 20°C.

«Einige unserer Soldaten trugen nur ein T-Shirt, eine einfache Hose und leichte Schuhe.» erinnert sich Vyrozub. «Stellen Sie sich vor, wie diese jungen Männer niederknien mussten, mit den Händen hinter dem Kopf. Einige verloren das Bewusstsein.»

Die Eskorte kam den Ukrainern mit Hunden entgegen, die sie bedrängten, damit sie den Transport der Gefangenen zu den Zelten beschleunigten. Die Gefangenen wurden durchsucht. Ihnen wurden alle persönlichen Gegenstände abgenommen und jeder Person wurde eine Nummer zugeteilt – von da an hatten sie keine Namen mehr.

Nach dieser Kontrolle wurden die Ukrainer in Zelte gebracht, wo sie sich unter der Aufsicht eines bewaffneten Offiziers hinknien mussten. So blieben sie die ganze Nacht, während die Russen alle Gefangenen zählten.

«Auch ich war auf den Knien und trug nur meine Soutane. Ihnen war das egal.», sagt der Priester.

HAUPTSACHE ÜBERLEBEN

Erst am dritten Tag ihres Aufenthalts im Lager bekamen die Ukrainer etwas zu essen. Die Russen setzten ihre Verhöre fort. Das ständige Hundegebell und die «Arbeit» mit Scheinwerfern sorgten für eine schwierige Atmosphäre.

Der Kaplan versuchte zusammen mit seinen protestantischen Kollegen, die militärischen und zivilen Gefangenen zu unterstützen, und sie jeden Morgen zum Gebet versammelte.

«Es gab keinen anderen Ausweg», erklärt Vyrozub. Ich habe genau verstanden, dass das System eines jeden Lagers darin besteht, zu trennen. Gemeinsam mit den Seelsorgern stellten wir den Soldaten eine Aufgabe: Sie sollten lebend, gesund und unversehrt nach Hause zurückkehren. Das ist die Aufgabe, die sie zu erfüllen hatten. Und dann werden wir sehen.»

Manchmal, so erinnert sich der Seelsorger, kamen die Soldaten deprimiert von den Verhören zurück. Dann musste Vyrozub sie an ihre Aufgabe erinnern.

«Habt ihr gehört, was die Aufgabe ist?», fragte der Militärpfarrer.

Und sie antworteten: «Lebendig und gesund nach Hause zurückzukehren.»

DIE ANKUNFT DES GENERALS

Eines Tages betrat ein uniformierter General das Zelt. Er wurde von Wachen eskortiert und als stellvertretender Innenminister der Russischen Föderation, General Aleksandr Kravchenko, vorgestellt.

Der russische General interessierte sich dafür, ob die Gefangenen im Lager verpflegt und gut behandelt würden. Er erklärte auch, dass der Krieg in vollem Umfang ausgebrochen sei, weil die Ukrainer zugelassen hätten, dass sich die «Banderiten entwickeln», und dass die Russische Föderation nicht zulassen könne, dass die NATO an ihren Grenzen stehe.

«Sind Sie ein rechter oder ein falscher Priester?» – wandte sich Kravchenko plötzlich an Vyrozub.

«Ich bin da für die Ukraine und wir haben unsere eigenen Grundsätze. Für Russland gelten diese nicht, denn sie haben nichts vergleichbares.»

«Sie haben hier nichts zu beanstanden», sagte der General. «Bei ihnen zuhause pfeifen die Kugeln, fallen die Granaten. Und hier sind Sie unter dem Schutz der Russischen Föderation.»

DAS SIZO

Nach diesem Gespräch wurde Vyrozub zusammen mit den anderen Gefangenen in das SIZO – das russische Isolations- und Untersuchungsgefängnis – in der russischen Stadt Stary Oskol im Norden der Region Belgorod gebracht.

Bei der Ankunft müssen die Gefangenen durch ein Spalier von Bewachern gehen. Links und rechts werden sie mit Gummistöcken geschlagen und mit Hunden schikaniert.

Doch als der Priester an der Reihe war, durch diesen «Korridor» zu gehen, erstarrten die Begleiter etwas.

«Militär – Militär – Militär –  und dann kommt ein Priester mit einem Kreuz und einem Pferdeschwanz heraus», erinnert sich Vyrozub. «Sie waren fassungslos: Ja, Vater, kommen Sie vorsichtig, verschwinden Sie hier.»

Sie wussten nicht, was sie tun sollten. Alle fragten sich, was ich hier zu suchen hatte. Aber als sie mir später die Haare abschnitten und mich in eine Gefängnisunform steckten, schlugen sie mich und fragten mich nicht, ob ich ein Vater sei. Sie schlugen mich einfach.»

PERMANENT SCHLÄGE

Am 18. März kam der Priester im SIZO an. Ohne Haare, in einer Gefängniskluft landete er in der Zelle Nr. 48, zusammen mit zwei weiteren evangelischen Geistlichen und jenem Arzt, der im Februar mit ihm auf der Zmiiny-Mission war.

In der SIZO fanden zunächst 2 bis 3 Mal täglich Verhöre statt. Zudem wurden die Gefangenen während der Spaziergänge einfach geschlagen, ohne jede Erklärung.

«Sie haben nur geschlagen, um zu schlagen, um zu zeigen, dass sie die Chefs sind. Das ist alles».

Als sie unseren Kaplan Sasha Chokov zum Verhör mitnahmen, schlugen sie ihn unter das Zwerchfell, dann auf den Kopf und auf sein Knie. Er verlor das Gleichgewicht und stürzte. Dann wurde sein Gesicht gegen das Netz gedrückt.»

Chokov fragte den Begleitschutz, warum er geschlagen werde und hörte als Antwort: «Wenn es um etwas gegangen wäre, hätten wir sie umgebracht.»

ABSEITS DER KAMERAS

In Vyrozubs Zelle begann jeder Morgen mit einem Gebet. Die Priester beteten laut: «Für die Ukraine, für seinen Willen, für die Ehre, für den Ruhm, für das Volk, für den Sieg der ukrainischen Armee über jeden Feind und Gegner, für die Rückkehr aller Gefangenen.»

Und als die Wärter «für die Freiheit und Unabhängigkeit unseres Staates» hörten, begannen sie, mit Schlagstöcken gegen die Zellenwand zu schlagen, damit die Gefangenen schwiegen und Russisch sprachen.

«Die Wärter hatten kein Recht, in die Zelle zu kommen. Also schlugen sie uns, wenn wir zum Verhör oder zu Spaziergängen mitgenommen wurden. Denn sie schlugen nur dort, wo es keine Kameras gab.»

KÄLTEZELLE

Am Morgen des 31. März wurde der Priester zum ersten Mal während seines Aufenthalts in der Untersuchungshaftanstalt nackt in die Einzelhaftzelle gebracht. Sie schickten ihn in die so genannte «Gummizelle», deren Wände mit Gummimaterial überzogen waren.

Es war schwierig, in einem kalten, kleinen Raum zu bleiben, erinnert sich Vyrozub. Es gab keine Toilette, so dass alle natürlichen Bedürfnisse an Ort und Stelle verrichtet werden mussten.

«Und es war so kalt, dass man an einer Stelle stand, um sich aufzuwärmen. Es war unmöglich, vor Kälte zu gehen», erinnert sich der Priester.

«Du stehst immer an derselben Stelle und nach 15-20 Stunden tun dir die Fusssohlen nicht mehr weh, sondern fühlen sich an, als hätte man sie mit Stöcken geschlagen. Und Deine Fersen schmerzen, sie brennen. Du gehst auf die Knie und wärmst dich schon so. Und dann gehst du wieder auf deine Füsse.

Schon am 2. oder 3. Tag bekommst du «Halluzinationen». Schließlich hast du drei Tage lang nicht geschlafen: Denn immer wenn Du anfängst einzuschlafen, fällst du auf den kalten Boden und wachst auf.

Die Kälte ist schrecklich. Und du kannst nicht mehr stehen: deine Knie fangen auch an zu brennen, wie lange kannst du darauf stehen? Und auf dem Gesäß kann man nicht gut sitzen, denn der Boden ist voll mit, ja sie wissen schon. Je mehr dein Körper den Boden berührt, desto schneller frierst du und beginnst vor Kälte zu zittern.»

In der Zelle durfte Vyrozub nur 200-300 g Tee pro Tag trinken. Zu essen gab es nichts.  Deshalb war der Kaplan alle vier Tage in der Zelle hungrig.

BEGINN DER FOLTER

Eines Morgens wurde der Kaplan zum Verhör gebracht. Man gab ihm ein weisses Laken, in das er sich einwickeln sollte, und brachte ihn in den «Konvoi»-Raum.

Am ersten Tag der Folter wurde Vyrozub von vier Russen empfangen, von denen drei Offiziere waren. Sie begannen, ihm Fragen zu stellen. Als sie mit der Antwort nicht zufrieden waren, begannen sie, ihn zu schlagen. 20 Minuten lang schlugen die Russen dem Priester auf den Hinterkopf. Und dann wurde er wieder nackt in die kalte Strafzelle gebracht.

«Sie sagten, es könne nicht sein, dass ich auf den Handyfotos neben solchen Leuten stehe, solche Generäle kenne und nicht für den Geheimdienst SBU arbeite. Sie waren überzeugt, dass ich beim SBU war und wollten wissen, was meine Position als Priester bedeute.»

Am vierten Tag misshandelten die Russen den Kaplan weiter. Erneut wurde er in einem Bettlaken in den «Konvoiraum» gebracht.

Diesmal wurde Vyrozub von zwei Majoren, einem Leutnant und einem Oberstleutnant, verhört. Wie sich später herausstellte, handelte es sich bei letzterem um den Leiter des Untersuchungsgefängnisses, Oleksiy Hnipov.

Die Antworten des Kaplans passten ihnen wieder nicht. Einer schlug dem Priester mit voller Wucht auf den Kiefer, so dass der Ukrainer gegen die Wand flog. Dann drückten alle vier Vyrozub gegen die Wand, begannen ihn auf unnatürliche Weise zu dehnen und zu verdrehen und fügten ihm erneut schwere Schläge zu.

Der Kaplan konnte die unerträglichen Schmerzen nicht ertragen und schrie: «Hört auf, hört auf, mich zu schlagen. Ich habe mich an den General erinnert…»

Einer der Angestellten des Untersuchungsgefängnisses begann fröhlich zu wiederholen: «Ich wusste es, ich sagte, dass der Priester durchdrehen würde.»

ENDE DER FOLTER

Die Russen rannten los, um die Kamera einzuschalten und seine Aussage aufzuzeichnen.

«Also ich habe mit dem General, dem stellvertretenden Innenminister, gesprochen»

«Ausgezeichnet, ausgezeichnet, fahren Sie fort», sagte der Oberstleutnant.

«Also es geht um ihren Innenminister, um Herrn Kravchenko. Kennen Sie den Namen? Er hat mir zugesichert, dass mir kein Haar gekrümmt werde, weil ich unter dem Schutz der russischen Föderation stehe. Leute, ich weiss nicht, was ich tun soll, wie soll ich vor ihm kahl erscheinen?!»

Nach diesen Worten spürte der Kaplan, wie einer der Folterer seinen Griff lockerte, und dachte: «Gütiger Herr, es hat funktioniert!».

Das Gefängnispersonal stoppte die Aufnahme des Videos, der Oberstleutnant forderte sie auf, aufzuhören und ging. Und seine Wärter sagten nur wütend: «S*ka [Hurensohn], dieser Priester bedroht uns immer noch.»

Daraufhin wurde Vyrozub aus der Folterkammer entlassen. Nach einiger Zeit wurde er gezwungen, einen Lügendetektortest zu bestehen. Dann wurde er, nun bekleidet in einer Häftlingsuniform für weitere 15 Tage in Einzelhaft geschickt.

«Diese 4 Tage waren die schwierigsten», erinnert sich der Kaplan heute. Ich dachte, es wäre vorbei. Ich bat den Herrn um Vergebung und sagte ihm, er solle mich annehmen.»

DIE FREILASSUNG

Die Russen hielten den ukrainischen Priester noch einen Monat lang im Untersuchungsgefängnis fest. Ohne Folter.

Am 5.Mai wurde er freigelassen.  In einem der Büros gaben sie ihm einen Morgenmantel, legten ihm eine Decke über den Kopf und umwickelten ihn mit Klebeband.

In dieser Form wurde Vyrozub zum Austausch geschickt: zunächst mit dem Flugzeug nach Simferopol und dann mit einem LKW zum Austauschort in der Region Kherson.

«Ich wusste bis zum Schluss nicht, wohin man mich bringen würde», gibt der Kaplan zu. «Ich dachte, sie würden mich zur Parade der Schande am 9. Mai bringen. Von dieser Parade hatte ich im Radio gehört.»

Am 6. Mai stieg er zusammen mit einem schwerverletzten Soldaten aus einem Lastwagen und wurde von Ukrainern empfangen. «Als ich die ukrainische Flagge sah, empfand ich noch nichts», erinnert sich der Kaplan. Aber als sich unser Arzt näherte und sagte: «Ruhm der Ukraine», konnte ich nicht antworten. Meine Tränen flossen. Ich schüttelte den Kopf und sagte: «Natürlich, ja!».

BLAU-GELBES ODESSA

Nach 70 Tagen Gefangenschaft kehrte Vyrozub in seine Heimatstadt Odessa zurück. Schon nach wenigen Tagen hielt er einen Gottesdienst für seine Gemeindemitglieder. Ausserdem begann er mit der Behandlung nach der Folter. Er setzt seine Arbeit fort und kümmert sich um ukrainische Soldaten.

Der Seelsorger gibt zu, dass er in eine völlig andere Stadt zurückkehrte: «Ich sah ein anderes Odessa. Nicht von den gelb-blauen Fassaden her, sondern von innen, in den Herzen. Ich sah, wie die Menschen anfingen, Ukrainisch zu sprechen. Ich habe Gemeindemitglieder, die ihr ganzes Leben lang Russisch gesprochen haben, aber jetzt beginnen sie, Ukrainisch zu sprechen».

Vyrozub fügt hinzu, dass der Krieg heute jeden in der Ukraine berührt hat.

«Es gibt keine Zivilisten mehr», sagt er, denn alle arbeiten für die Verteidigung der Ukraine: Militärangehörige sind an der Front, Freiwillige sammeln Hilfsgüter, Journalisten sind mit ihrer Arbeit beschäftigt, Bauern produzieren Mehl für Brot. Wer nichts tun kann, der soll beten. Und wer nicht einmal beten kann, der soll uns nicht ablenken.

Wir müssen siegen. Denn wenn wir diese Horde hier hereinlassen, werden wir für weitere 30 Jahre in dieses sowjetische Loch zurückgeworfen. Wir leisten Widerstand.»

Artikel: https://nv.ua/ukr/ukraine/events/svyashchenik-pcu-pro-katuvannya-u-rosiyskomu-poloni-rozpovid-vasilya-virozuba-novini-ukrajini-50261805.html

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