Jonathan Eyal / @JEyal_RUSI ist Co-Direktor des britischen «Royal United Services Institute for Defence and Security Studies.»/RUSI.Diese Organisation wurde 1831 gegründet und ist damit die weltweit älteste Denkfabrik für Verteidigungs- und Sicherheitsfragen. Er hat am 24.Juli diesen Text veröffentlicht.
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Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban reist jedes Jahr ins rumänische Siebenbürgen, um dort nationalistische Reden zu halten, die die beträchtliche ungarische Minderheit vor Ort aufrütteln sollen.
Nur wenige Regierungen würden einen solch offenen Aufruf zum Irredentismus zulassen, aber die Rumänen dulden dies. («Irredentismus» = die Zusammenführung möglichst aller Vertreter einer bestimmten Ethnie in einen Staat mit festen Territorialgrenzen.)
ORBAN: «DAS IST NICH UNSER KRIEG»
Orbans diesjährige Rede war allerdings noch mehr aus den Fugen geraten als sonst. Er behauptete, dass das, was in der Ukraine passiert, «nicht unser Krieg» sei. Orban wiederholte Putins Propaganda, dass die Schuld für den Krieg beim Westen liege, weil dieser sich weigere, Russlands «klare Sicherheitsforderungen» zu akzeptieren.
Ausserdem sagte Orban: «Die Russen sprechen eine sehr alte Sprache, aber das bedeutet nicht, dass das, was sie sagen, keinen Sinn ergibt».
ORBAN: UKRAINE SCHEITERT
Der ungarische Ministerpräsident bezeichnete die Entschlossenheit der Ukraine, weiterzukämpfen, als eine zum Scheitern verurteilte Strategie. Sie sei vergleichbar mit dem «Sitzen in einem Auto mit platten Reifen an allen vier Rädern».
Und weiter: «Die Ukrainer werden niemals einen Krieg gewinnen», auch nicht mit der Unterstützung der «Angelsachsen».
EU SOLL NEUTRAL SEIN
Die Aufgabe der EU, so Orban, sei es nicht, sich auf die Seite der Ukrainer oder Russen zu stellen, «sondern zwischen der Ukraine und Russland zu stehen».
Laut Orbán haben die westlichen Regierungen «seit Jahren» versucht, das «Visegrad-Bündnis» (Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn) von mittel- und osteuropäischen Länder zu zerschlagen. Nun nutze die EU die Gelegenheit des Krieges in der Ukraine, um die Zerstörung dieses Bündnisses zu erreichen.
KRIEG ZWISCHEN SLAWEN
Zur gegenwärtigen politischen Spaltung innerhalb des Visegrad-Bündnisses sagte Orban «Für uns Ungarn ist der Krieg ein Konflikt zwischen zwei slawischen Völkern, aus dem wir uns heraushalten wollen, während die Polen das Gefühl haben, dass sie involviert sind.»
Die Wahl der Slowaken und Tschechen zur Unterstützung der Ukraine verhöhnte Orban als «Postwestlich». Es sei eine törichte Wahl, ähnlich wie «jemand, der seine Pferde in einem brennenden Stall anbindet».
ORBAN WILL RASSENREINHEIT
Ausserdem wiederholte Herr Orban seine bereits bekannten Theorien über die «Rassenreinheit». «Wir sind keine Mischlinge», sagte er zu den ethnischen Ungarn in Rumänien, «und wir wollen es auch nicht sein».
SOROS – EU VERSCHWÖRUNG
Dennoch droht Ungarn grosse Gefahr vom jüdischen Financier George Soros und den Brüsseler Verschwörern: «György Soros und die Kräfte in Brüssel wollen uns immer noch die Migration aufzwingen», indem sie Ungarn vor Gericht zerren, sagte er.
Natürlich könne nur er, Orban, solche ruchlosen Machenschaften vereiteln.
ORBAN: «DIE WELT GEHÖRT UNS»
Orbans Tonfall war durchweg abweisend gegenüber einem Westen, der sich angeblich im Niedergang befindet. Nur die Ungarn, so sagte er seinem Publikum, «sind besser, fleissiger und talentierter». Und, ja: «Die Welt gehört uns».
KOMMENTAR VON JONATHAN EYAL
Wenn man sich diesen Unsinn anhört, muss man sich fragen, ob der Platz der gegenwärtigen ungarischen Regierung wirklich in der EU und der NATO ist.
Man muss sich fragen, ob unser Anspruch, dass diese beiden Schlüsselinstitutionen auf Werten beruhen, überhaupt etwas bringt, solange das gegenwärtige Ungarn Mitglied ist.