Nach 99% der ausgezählten Stimmen liegt der politische Trümmerhaufen Frankreichs offen da.
Am schlimmsten erwischt hat es die einst so stolze Sozialistische Partei. Mit der allseits unbeliebten Bürgermeisterin von Paris, Anne Hidalgo erreichte die sozialdemokratische Partei Mitterands lächerliche 1,7% der Stimmen.
Ebenfalls weitgehend ihrem nicht überzeugenden Kandidaten Yannick Jadot geschuldet, ist der Absturz der Grünen. Noch bei den Regionalwahlen erreichte sie zweistellige Zustimmungswerte, jetzt nur 4.8%. Und ebenfalls ein Resultat einer unglaubwürdigen Kandidatin sind die 4.8% der bürgerlichen «Republikanerin» Valérie Pécresse.
Dass die drei Gescheiterten nun Emmanuel Macron zur Wahl vorschlagen, bringt dem aktuellen Präsidenten kein grosses Stimmenreservoir, denn diese 11% werden nicht einfach 1:1 zum aktuellen Präsidenten wechseln.
Auf der linksradikalen Seite hat Jean-Luc Mélenchon ein phantastisches Resultat hingelegt. Am Schluss fehlten ihm nur 1.4%- für den zweiten Platz. Er habe «einen schlechten Charakter» gab er offen zu. Aber im Gegensatz zu den anderen Kandidaten hat er ein komplettes, wirklich alternatives Programm, dass mehr war als ein Haufen finanzieller Versprechungen und leerer Phrasen.
Für den bald 72-Jährigen war es vermutlich seine letzte politische Schlacht. Er verabschiedet sich mit einem «Keine Stimme für LePen!» Aber für eine Stimme zugunsten von Macron ringt er sich nicht durch, zu sehr ist der aktuelle Präsident für ihn eine Ausgeburt des miesen Liberalismus.
Auf der rechtsextremen Seite hat der Reaktionär Érich Zemmour schliesslich nur 7.1% erreicht, also die Hälfte von dem was er zwischenzeitlich bei den Umfragen hatte. Aber seine Stimmen werden zu einem grossen Teil direkt zu seiner politischen Schwester Marinne LePen wandern. Hinzu kommen die 2% des anderen politischen Reaktionärs Nicolas Dupont-Aignan.
Das rechtsradikale Lager um die Marinne LePen wird also um etwa gleich viele Stimmen bereichert, wie das des aktuellen Präsidenten und «weder links-noch-rechts Kandidat» Emmanuel Macron. Aber damit ist die Wahl von Macron nicht gesichert.
Macron ist geschwächt, denn die anderen 11 Kandidaten haben alles dafür getan, dass die Stimmung entstand «Tous, sauf lui» (Alle anderen, nur der nicht) und er hat kaum ein Zuwachspotential aus den anderen Parteien.
Und LePen hat es, angetrieben von einer Heerschar von PR-Beratern, geschafft im Volk zur «Marinne» zu werden. Der durch ihren Vater politisch vergiftete Namen «LePen» erscheint kaum mehr. Stattdessen präsentiert sie sich als , als «Marinne Président» oder «Femme d’Etat» (Staatsfrau) . Sie hat, wie in Grimms Märchen «Rotkäppchen» der Wolf, «Kreide gefressen» und viele Franzosen nehmen ihr ab, dass sie sich geändert und dazugelernt hat.
Ob die Rechnung aufgeht, wird sich bei der alles entscheidenden TV-Debatte zwischen LePen und Macron zeigen. Vor 5 Jahren war LePen wegen ihrer fehlenden Detailkenntnisse und ihrer Hassreden angesichts eines souverän wirkenden Macron komplett abgestürzt.
Wenn LePen dieses Mal nicht verliert, dann hat sie gewonnen.