Das Volk stimmt mit Messer und Gabel ab

Gastrosuisse beschwert sich. Drei von vier Restaurants sind nach der heissen Covid-Phase zwar wieder offen, aber sie machen nur 40% des Umsatzes im Jahresvergleich. Kein Wunder sage ich.

Das Volk spricht, respektive stimmt mit Messer und Gabel ab.Die schlechten Geschäfte der Beizen zeigt, dass die schrillen Rufe nach einer «sofortigen Öffnung von allem» an der Realität vorbeigehen. Die Menschen wollen lieber noch eine Weile leben und die Krise mit Vernunft überstehen.

Dass die Restaurants mit dem Konzept der raschen Wiedereröffnung und den begleitenden Massnahmen – von denen die meisten von Gastrosuisse stammen – nicht auf einen grünen Zweig kommen, war von Beginn an klar. Als Sohn eines ehemaligen Wirtes und einer Wirtin kann ich das einschätzen.

Interessant ist, was Casimir Platzer, Präsident von Gastrosuisse, hierbei veranstaltet: Mitte April schrieb er einen Brief an die bürgerlichen Bundesräte – nicht an die beiden SP Vertreter – in dem er behauptete, dass eine Wiedereröffnung erst im Juni 30 – 40 % der Wirte den Kopf kostet (Tagesanzeiger vom 18.4.20). Am Sonntag beklagte er sich im SonntagsBlick, dass mit dem derzeitigen Konzept ca. 20% der Wirte nicht überleben werden. So gesehen müsste er sein Wirken als Erfolg beurteilen.
Doch Platzer macht etwas anderes draus: Er schiebt damit den Schrumpfungsprozess tatsachenwidrig dem Covid-19 zu. Dazu ein paar Zusatzinformationen:

Bekannt ist, dass das Beizensterben in den letzten Jahren massiv verstärkt hat. Auf der beiliegenden Grafik von Gastrosuisse siehst Du, dass in den letzten Jahren das Gastgewerbe und die Restauration immer ein negatives Wachstum hatten.

Grafik: Gastrosuisse

Dafür verantwortlich sind veraltete Konzepte («Bären» und «Leuen» im Dorf mit Stammtisch) und neue Lebensformen mit zunehmenden Out-of-Home Delivery (Take-Away, Pizzakuriere, Salatbar) mit einem stark wachsenden jährlichen Umsatz. Zwischen 2016 und 2018 stieg der Umsatz von knapp einer auf 1.2 Milliarden Franken und wird dieses Jahr 1,4 Milliarden erreichen. (Blick 28.12.2019).

Auf diesem Hintergrund und mit etwas Menschenverstand halte ich fest: Die Menschen wollen sich wohlfühlen, sind aktuell aber nicht gerade scharf darauf, sich Gefahren auszusetzen. Dass man zu einem Coiffeur geht und sich von einer maskierten Person den eigenen maskierten Kopf aufpolieren lässt, geht noch durch. Aber in einem Restaurant will man nicht permanent an die Gefahren erinnert werden. Weder durch Plexisglasscheiben, noch durch Servierpersonal mit Plastikhandschuhen. Die übereilte Öffnung der Restaurants war ein Fehler und wird von den potentiellen Gäste nicht goutiert.

Zu behaupten, dass die Umsätze einbrechen, weil ein paar Prozent der bedienbaren Tische wegfallen, ist eine faule Ausrede. Auch in den besten Zeiten sind nur wenige Restaurants voll besetzt und in Restaurants mit Klasse, hatte es schon immer einen grösseren Abstand zwischen den Tischen. Zugunsten der Privacy.

Autor: Mario Aldrovandi

Artikel zum Thema: https://www.bluewin.ch/de/news/wirtschaft-boerse/drei-von-vier-restaurants-wieder-offen-395087.html

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